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KI im Spanischunterricht – ¡claro que sí!

Künstliche Intelligenz beschäftigt uns Fremdsprachenlehrkräfte spätestens seit die Schüler*innen Übersetzer nutzen, und umso mehr, seit es Tools gibt, die gar nicht so schlechte Texte zu typischen Themen aus dem schulischen Bereich verfassen können: Charakterisierungen, Argumentation, Textanalysen, ganz zu schweigen von den eher einfachen Texten, die in den ersten Jahren im Fremdsprachenunterricht geschrieben werden (z.B. Beschreibe dein Stadtviertel in einer Email, Berichte von dem vergangenen Wochenende, u.ä.). Gar nicht so schlecht heißt, dass diese Texte vielen schulischen Bewertungskriterien wie sprachlicher Richtigkeit, Erfüllung des Operators, ausreichender Umfang u.ä. genügen würden. Auf der Inhaltsebene gibt es allerdings noch Luft nach oben: Die Ergebnisse sind teilweise fehlerhaft, häufig vor allem unoriginell. Trotzdem bieten sie viele Möglichkeiten für den Unterrichtseinsatz.

Dass wir KI bewusst in den Unterricht einbeziehen sollten ist für mich klar – sie gehört zur Lebenswelt der Schüler*innen und wird die Kommunikation in unterschiedlichen Sprachen in Zukunft sehr beeinflussen. Es ist also sinnvoll, sich damit auseinanderzusetzen, zu lernen, KI-Tools bewusst und sinnvoll zu verwenden, und auch über die Folgen zu diskutieren. Das bedeutet natürlich auch, dass sich der Unterricht verändern wird, weil sich viele bisher übliche Arbeiten einfach durch eine KI erledigen lassen, ob wir das richtig finden oder nicht. Eine sinnvolle Nutzung der KI ist auch eine Haltungsfrage: Bei Lehrer*innen und Schüler*innen Offenheit für Neues und den Ansatz, sie als Mittel zum Lernen zu sehen, und kreativ in ihrem Einsatz zu sein. Christian Spannagel hat das auf Twitter so zusammengefasst:

1. Übersetzungstools

Ich habe mir in Hinblick auf den Spanischunterricht vor allem drei Tool-Typen angesehen und stelle ein paar Ideen vor:

Übersetzungstools (z.B. Google Translator, DeepL): Sie sind schon länger im Umlauf und werden auf vielfältige Arbeit im Fremdsprachenunterricht eingesetzt:

  1. Korrektur: Die Schüler*innen geben als fehlerhaft angestrichene Ausdrücke in den Übersetzer ein, vergleichen sie mit der Version des Übersetzers und notieren sie zusammen mit der Regel.
  2. Überarbeiten eigener Texte: Die Schüler*innen schreiben einen Text, geben ihn in ein Übersetzungstool ein und erhalten durch Hin- und Rückübersetzung eine neue Fassung. In DeepL kann man auch von Spanisch zu Spanisch übersetzen lassen und braucht keine Rückübersetzung. Dann markieren sie Unterschiede, überlegen, wo es sich um Alternativen und wo um Fehlerkorrektur handelt.
  3. Wortschatzaufbau: DeepL liefert auch Synonyme, so dass ich Sätze unterschiedlich formulieren kann. (Bild 1)

Für alle Einsatzmöglichkeiten gilt:

DeepL (und auch der Google-Translator) sollten mit ganzen Sätzen, bzw. Ausdrücken genutzt werden, um idiomatische Ergebnisse zu erhalten, die so auch gelernt werden.

Übersetzer müssen klug genutzt werden. V.a. die gelieferten Synonyme bedeuten nicht genau dasselbe, wie in der Eingangsphase gesucht (Laura se reúne con sus amigos.), bzw. sind falsch (*Laura se habla con sus amigos.). Schüler*innen müssen lernen, den Ergebnissen nicht blind zu vertrauen, sie mit ihrem Vorwissen abzugleichen und Strategien zur Überprüfung einzusetzen, wie z.B. die Rückübersetzung (Bild 2), bzw. das Eingeben des Satzes in eine Suchmaschine um festzustellen, ob diese Formulierung überhaupt brauchbare Ergebnisse liefert.

2. Chatbots

Chatbots: Seit OpenAI seinen playground und jüngst auch das Programm ChatGPT zur Verfügung gestellt hat, probieren viele Lehrkräfte aus, was mit diesen Tools zu leisten ist. Hendrik Haverkamp verwendet das Tool bereits sehr umfangreich und auch in Klausuren, und lässt seine Schüler*innen die gefundenen Ergebnisse vergleichen und überarbeiten und dies reflektieren. (Link) OpenAI warnt auf der Startseite des ChatGPT vor den Grenzen und Risiken der Nutzung: “May occasionally generate incorrect information, May occasionally produce harmful instructions or biased content, Limited knowledge of world and events after 2021.” (https://chat.openai.com/chat, am 18.12.2022, 13:27 Uhr) Zahlreiche Versuche haben gezeigt, dass ChatGPT inhaltlich deutlich daneben liegen kann, und sogar Informationen oder Quellen „erfindet“. Auch hier müssen die Schüler*innen also lernen, dass sie den Ergebnissen inhaltlich nicht einfach vertrauen dürfen, aber sie können das Programm trotzdem für sich nutzen:

Sehr vielversprechend ist der Ansatz von Hendrik Haverkamp auch für den Spanischunterricht: Die Antworten, die ChatGPT gibt, wenn Operatoren des Anforderungsbereichs III (discutir, evaluar …) verwendet werden, sind sehr allgemein. Die Schüler*innen können ihnen aber Anstöße entnehmen und diese dann konkretisieren. Ich habe z.B. die Aufgabe gestellt zu diskutieren, ob junge Spanier*innen in der aktuellen ökonomischen Situation nach Deutschland auswandern sollten oder nicht. ChatGPT nennt in diesem Beispiel (Bild 3) Kriterien nach denen die Entscheidung getroffen werden kann, gibt also eine sinnvolle Struktur vor. Außerdem können die Schüler*innen das Ergebnis als sprachlichen Steinbruch nutzen.

Konkreter sind die Ergebnisse, wenn ich nach konkreten Informationen frage (Anforderungsbereich I). Auch hier können Fehler enthalten sein, auch wenn ChatGPT sich weigert, absichtlich falsche Antworten unterzubringen (Bild 4). Trotzdem kann das Ergebnis ein Ausgangspunkt für eine Recherche sein, die die Schüler*innen nun viel zielgerichteter durchführen können (Bild 5).

  • Auch in den ersten Lernjahren können die Schüler*innen mit dem Programm arbeiten. Im Beispiel wird nach Freizeitaktivitäten und wo sie ausgeführt werden können gefragt. (Bild 6) Die Schüler*innen können markieren, welche Aktivitäten und Orte sie bereits kennen, und jeweils drei neue dazulernen. Ebenso können sie mit der Antwort auf die Frage ¿Qué puedo hacer en Mallorca? arbeiten. (Bild 7) Beide Aufgaben trainieren das Leseverstehen, denn die Antworten sind in nicht zu schwerem Spanisch geschrieben, enthalten aber unbekanntes Vokabular. Die Schüler*innen müssen also herausfiltern was sie bereits verstehen, sich weiteres erschließen und einen nicht verstandenen Rest tolerieren. Sie könnten aber nach eigenem Interesse einen Absatz auswählen, das Vokabular nachschlagen und weiter recherchieren.

3. Text-zu-Bild Generatoren:

Hier hat mich besonders eine Idee von Christian Stumfold inspiriert:

Die Schüler*innen geben ihre Bildbeschreibung in die KI ein, und vergleichen ihre Vorstellung mit dem erstellen Bild. Unter dem Tweet ist auch ein Beispiel abgebildet. Bei meinem Versuch hat die KI allerdings Lokalisierungen wie „a la derecha“, „al fondo“ usw. nie übernommen, so dass (noch!) Lokalpräpositionen herausfallen.

Eine weitere Idee: Die Schüler*innen geben Liedtexte ein, z.B. Weihnachtslieder, und generieren damit Bilder. Anschließend erraten die Mitschüler*innen, welches Bild welches Lied darstellt und begründen dies. Dabei stellen sie fest, dass häufig nur einzelne Schlüsselbegriffe übertragen wurden. Sie beurteilen, ob die Bilder das Lied gut wiedergeben, was noch fehlt, etc. (Wenn man den Liedtext zu „Mi burrito sabanero“ eingibt, erhält man übrigens das Bild eines mexikanischen Snacks.) Auf diese Weise setzen sie sich mit den Liedtexten inhaltlich auseinander und beschreiben Bilder und Emotionen. Hier das Beispiel: https://www.canva.com/design/DAFVBcuIh3Y/219j12spBBm88EvCdiodlw/view?utm_content=DAFVBcuIh3Y&utm_campaign=designshare&utm_medium=link2&utm_source=sharebutton

Fazit:

Die Möglichkeiten, KI zum Spracherwerb zu nutzen sind vielfältig, und gerade weil die Schüler*innen Strategien benötigen, um sie sinnvoll zu nutzen, sollten wir sie im Unterricht verwenden und letztere einüben.

Ein Wort noch zu den verwendeten Tools: Alle hier verwendeten Seiten und Tools (OpenAI, ChatGTP, Canva) sollten auch kritisch betrachtet werden. Sie sind kostenlos zu nutzen, z.T. nur mit Anmeldung, was nicht bedeutet, dass sie ganz unproblematisch sind. Sie sind nicht dsgvo-konform, d.h. die Schüler*innen sollten auf gar keinen Fall persönliche Daten hinterlassen. Sie dienen letztendlich kommerziellen Zwecken. Die bekanntesten Tools aufzugreifen heißt auch, v.a. immer wieder dieselben großen Plattformen zu fördern, statt kleinere bekannt zu machen und ein breiteres Angebot zu unterstützen. Sie aus diesen Gründe nicht zu nutzen halte ich aber nicht für sinnvoll, denn sie gehören bereits zum Leben unserer Schüler*innen. Unsere Aufgabe ist es, sie in einer sinnvollen Nutzung zu unterstützen, sie zum Ausprobieren aber auch zu einer kritischen Grundhaltung zu ermutigen.

Zum Nach- und Weiterlesen:

Ganz frisch gebloggt ebenfalls zu KI im Spanischunterricht hat Iris Laube: https://www.ingerfeldundlaube.de/blog/ki-im-fremdsprachenunterricht

Zur Arbeit von Hendrik Haverkamp z.B.: Christoph Meier (swiss competence centre for innovations in learning):  https://www.scil.ch/2022/12/17/chatgpt-einsatz-im-unterricht-und-bei-pruefungen/, sowie: https://the-decoder.de/ein-lehrer-laesst-ki-bei-klassenarbeiten-zu-das-hat-er-dabei-gelernt/

Sehr spannend die Überlegungen von Nele Hirsch zur Nutzung von KI im Bildungsbereich: https://ebildungslabor.de/blog/einordnung-und-nutzung-von-ki-in-der-bildung/

Philippe Wampfler: Grundlagenartikel: Umgang mit KI-Programmen im Schreibunterricht https://schulesocialmedia.com/2022/10/15/grundlagenartikel-umgang-mit-ki-programmen-im-schreibunterricht/