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Das didaktische Potenzial von Almodóvars Madres paralelas

In Madres paralelas, einer dramatischen Geschichte um die Freundschaft zweier ungleicher Mütter und die Selbstfindung einer jungen Frau, setzt sich Almodóvar auch mit der spanischen Geschichte und der memoria histórica auseinander. Sowohl in der Handlung als auch in der ansprechenden Darstellung des modernen Spaniens liegt großes Potenzial für den Spanischunterricht in der Oberstufe.

Handlung

Zwei werdende Mütter lernen sich im Krankenhaus kennen und freunden sich trotz denkbar großer Unterschiede in Alter, Lebenssituation und auch Einstellung zu ihrer Schwangerschaft und der bevorstehenden Geburt an. Janis ist Anfang 40, selbständige Fotografin, und entschlossen, ihr Kind, das Resultat einer Affäre, allein aufzuziehen. Ana ist noch Teenager, ungewollt schwanger und findet wenig Unterstützung bei ihren getrenntlebenden Eltern. Beide Babys müssen kurz untersucht werden, ehe sie von den Müttern mit nach Hause genommen werden. Was als unwichtiger Zwischenfall erscheint, erweist sich später als schicksalhaft: Als Janis und Ana sich einige Zeit später wieder begegnen, wird Janis nach und nach klar, dass die Babys im Krankenhaus vertauscht wurden. Die (melo)dramatische Handlung um die beiden Frauen (Das bei Ana lebende Kind ist inzwischen am plötzlichen Kindtod gestorben) ist in einen weiteren Handlungsstrang eingebettet, der im zweiten Teil des Films an Bedeutung gewinnt: Arturo, der Vater von Janis Kind, ist forensischer Anthropologe und arbeitet für eine Stiftung, die sich für die Aufarbeitung der Verbrechen des Franco-Regimes einsetzt. Janis und einige Bewohner ihres Heimatdorfs beantragen die Exhumierung eines Massengrabs, in dem die Leichen von republikanischen Opfern des Regimes liegen, darunter Janis Urgroßvater.

Historischer Hintergrund

Der historische Bezug der Handlung ist ein erster Ansatzpunkt für den Einsatz des Films im Spanischunterricht im Rahmen der Behandlung des franquismo und der memoria histórica. Janis‘ Einsatz für die Exhumierung ihres Urgroßvaters zeigt, wie schwer es immer noch ist, Gerechtigkeit für die Verbrechen der Vergangenheit durchzusetzen. Obwohl die Verbrechen des Franco-Regimes in der Ley de la Memoria Histórica anerkannt werden, müssen die Hinterbliebenen der Opfer nach wie vor darum kämpfen, dass ihre Angehörigen gefunden und die Massengräber aus jenen Tagen exhumiert werden. Die Regierung von Mariano Rajoy reduzierte erst die Finanzierung und verweigerte sie schließlich ganz, so dass Exhumierungen kaum noch möglich waren. Auch fast 45 Jahre nach dem Ende der Diktatur ist ihre Aufarbeitung noch nicht abgeschlossen, stößt auf den Widerstand sehr konservativer Kreise und wird auch von anderen Spaniern als Aufreißen alter Wunden kritisch gesehen. “¡A ver si te vas enterando de en qué país vives!” ruft Janis der jungen Ana zu, die kein Verständnis für ihr Bemühen um die Exhumierung ihres Urgroßvaters hat: „Los muertos es mejor dejarlos donde están.“ Madres paralelas zeigt also den sehr aktuellen Streit um den Umgang mit der Vergangenheit.

Väter, Mütter und die Wahrheit

Die beiden Handlungsstränge stehen nicht unverbunden nebeneinander. In Madres paralelas durchdringt die Geschichte das moderne Leben und prägt das Leben der Protagonist*innen. Deutlich wird dies beispielsweise in der Darstellung der Väter, die dieser Rolle fast durchweg nicht gerecht werden: Janis hat ihren eigenen Vater nie kennengelernt, er hat ihre Mutter vor ihrer Geburt verlassen. Ana scheint ihrem leiblichen Vater, der mit seiner zweiten Frau zusammenlebt, lästig zu sein. Nur widerstrebend nimmt er sie bei sich auf. Alberto, der Vater von Janis Tochter, ist noch verheiratet und zunächst nicht bereit, sich von seiner Frau zu trennen. Als er Janis besucht und sie ihm ihre Tochter vorstellt, distanziert er sich, weil er meint, sich in ihr nicht wiederzuerkennen. Ana selbst wurde schwanger, als sie bei einem Jungen, in den sie verliebt war, von ihm und seinen Freunden zum Sex genötigt wurde; lange Zeit weiß sie nicht, wer der leibliche Vater ihres Kindes ist. Es scheint, als sei das Verhältnis der Väter zu ihren Kindern und Partnerinnen von Vernachlässigung und Gewalt geprägt. Als einzige positive Vaterfigur erscheint dagegen Janis Urgroßvater: Die Großmutter erzählt, dass er mit seiner jüngsten Tochter spielte, als er von Soldaten abgeführt und hingerichtet wurde. Die Rassel des Kindes, die er damals in der Hand hielt, wird bei der späteren Exhumierung bei ihm gefunden. Auch Alberto erweist sich als besserer Vater, als es zunächst den Anschein hat: Das von ihm zurückgewiesene Kind ist tatsächlich nicht seines. Dafür befindet er sich am Schluß des Films in einer Beziehung mit Janis, die wieder schwanger ist. In Verbindung mit dem zweiten Handlungsstrang, scheint diese Unfähigkeit der Väter durch die spanische Geschichte und ihren Umgang damit bedingt zu sein: Der „gute“ Vater wird durch ein Erschießungskommando seinen Kindern entrissen, und erst, als dieses Verbrechen im wahrsten Sinn des Wortes aufgedeckt ist, kann der Mann, der es aufgedeckt hat, ebenfalls zu einem echten Familienvater werden. Dazwischen liegen Gewalt, Abwesenheit und Vernachlässigung.

Wie auch in anderen Filmen Almodóvars nehmen die Frauen eine aktive Rolle ein und suchen nach Auswegen, sowohl für sich selbst als auch für ihre Familien. Sowohl Janis als auch Ana sind liebevolle Mütter, ohne in eine traditionelle Rolle zu verfallen: Janis setzt sowohl ihre berufliche Tätigkeit wie auch ihr politisches Engagement fort, während Ana sich mit ihrer familiären Situation auseinandersetzt und nach Unabhängigkeit strebt. Für beide ist dies mit Schwierigkeiten verbunden: Janis‘ Tochter wird während ihrer Arbeitszeit von einem Au Pair-Mädchen versorgt, das sich in ihren Augen nicht genug um die Kleine kümmert. Ana muss zunächst bei den ungeliebten Eltern wohnen, weil sie keine Möglichkeit sieht, sich und das Kind zu versorgen. Mutter zu sein ist auch im modernen Spanien nicht einfach, aber immerhin ist die Verbindung von Mutterschaft und Selbständigkeit eine Möglichkeit, während eine Generation zuvor Anas eigene Mutter daran noch gescheitert ist: Scheint sie zu Beginn die Bedürfnisse ihrer Tochter ihrem eigenen Egoismus zu opfern, zeigt sich, das dieses Vorgehen biografisch bedingt ist, denn da sie ihren Wunsch, Schauspielerin zu werden, ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter nicht unterordnen wollte, erklärte ein Gericht bei der Trennung von ihrem Mann sie für unfähig, die gemeinsame Tochter aufzuziehen und sprach sie ihrem Mann zu..

Was alle Frauen eint, ist die Suche nach sich selbst innerhalb unsicherer Umstände. Diese sind ökonomisch und sozial bedingt, finden sich aber auch in den familiären Strukuren wieder, die auch hier die Auswirkungen der Diktatur auf die spanische Gesellschaft zu spiegeln scheinen: Janis und Ana verlassen das Krankenhaus jeweils mit dem falschen Kind, das eigene wurde ihnen dort genommen. Auch wenn es sich um ein Versehen zu handeln scheint, kann man nicht umhin an die niños robados zu denken, die im franquismo gerade alleinstehenden Müttern nach der Geburt weggenommen und an regimetreue Familie weitergegeben wurden. Die Mütter erfuhren, wenn überhaupt, erst viel später von dem tatsächlichen Schicksal ihres Kindes, auch dann ohne die Möglichkeit, es wiederzusehen, ähnlich wie Janis, die sich, als ihr die Verwechslung bewusst wird, auch mit dem Tod ihres leiblichen Kindes auseinandersetzen muss. Solange sie ihr Wissen für sich behält, ist das Verhältnis zu Ana konflikthaft: diese sieht in ihr ein Vorbild, später eine Geliebte, beides Rollen, die Janis nicht wirklich übernehmen möchte. Auch hier führt erst die Wahrheit zu einer Auflösung: Ana nimmt ihr Kind und verlässt Janis‘ Wohnung; am Schluss scheinen sie aber wieder zu einer Freundschaft zurückgefunden zu haben und auch Janis‘ Kontakt zu dem Kind, das sie lange für ihre eigenes hielt, bleibt bestehen. Auch Anas Mutter kann sich, nachdem sie Ana und Janis ihre Geschichte erzählt hat, auf ihre Tochter einlassen, ohne ihre eigenen Wünsche zurückzustellen.

Madres paralelas im Spanischunterricht

Madres paralelas eignet sich aufgrund der Thematik aber auch der sprachlichen Anforderungen für den Unterricht in der Oberstufe.

Als Einstieg eignet sich die Frage nach der Perspektive der Schüler*innen zu den grundlegenden Themen: ¿Para tí, la historia es importante? ¿Sabes cómo quieres vivir en el futuro? ¿Será importante para ti tu trabajo, tener hijos, ser independiente …? Anworten können in einem Plakat oder einer digitalen Pinnwand gesammelt werden.

Die Schüler*innen sollten den Film ohne zu viel Lenkung von außen sehen. Als Grundlage zur weiteren Arbeit wäre es aber sinnvoll, dass sie ihre Eindrücke direkt im Anschluss festhalten und sich Stichpunkte zu den Hauptpersonen, den wichtigsten Ereignissen und den visuellen Eindrücken machen.

Spaniens Geschichte und der gesellschaftliche Umgang mit ihr bieten sich als ein Fokus der Arbeit mit dem Film an, ebenso der analytische Blick darauf, wie Almodóvar diese in dem Film darstellt. Der sozio-historische Aspekt kann auch unter dem Blickwinkel der Demokratiebildung betrachtet werden: Ein Vergleich der Positionen Anas und Janis‘, die Frage nach der Wirkung und den Handlungsmöglichkeiten politischen Engagements.

Da die Protagonistin Ana im Alter der Schüler*innen und auf der Suche nach sich selbst ist, lässt sich auch darüber gut an ihre Lebenswelt anknüpfen. So wirft der Film die Frage nach der Selbstverwirklichung auf: Wie möchte ich leben? Wo sehe ich mich in Zukunft? Welche Rolle spielen / wer sind Vorbilder für mich? Hier könnte Janis als Vorbild für Ana genauer in den Blick genommen werden: Sie lebt ihr finanzielle Unabhängigkeit vor, bringt ihr bei, traditionelle spanische Gerichte zu kochen und fordert sie auf, eine politische Position einzunehmen. Zugleich setzt Ana sich auch kritisch mit ihr auseinander. Könnten auch die Schüler*innen sie als Vorbild sehen? Schwierig kann hier sein, dass es in dem Film kein wirkliches männliches Vorbild gibt – eventuell könnte die Figur Alberto unter diesem Blickwinkel analysiert werden.

Eine wichtige Stellung nehmen in Almodóvars Film auch die Bilder der Orte ein: ein ansprechendes, modernes und lebendiges Madrid und Janis Heimatdorf, sowie Janis Wohnung und das Haus ihrer Großeltern.

Schließlich können der Regisseur Almodóvar und seine filmische Arbeit in den Bick genommen werden.

Falls der Film nicht im Zusammenhang mit einer Einheit zur spanischen Geschichte gesehen wird, ist es sinnvoll, einige Aspekte vorher aufzuarbeiten. Materialien und Vorschläge zur Vorgehensweise finden sich auf dem Arbeitsblatt „trasfondo“. Die Schüler*innen können im Anschluss an die Filmschau weitgehend selbständig arbeiten und auch eigene Schwerpunkte setzen. Vorschläge dazu stehen auf dem Arbeitsblatt „tareas afinales“. Die fertigen Analysen werden in einem Marktplatz vorgestellt und von den Mitschüler*innen kommentiert. Hierbei können sie wieder auf ihre Überlegungen zur Einstiegsfrage zurückgreifen.

Hier sind die Arbeitsblätter zur Vorbereitung sowie zur tarea final:

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KI im Spanischunterricht – ¡claro que sí!

Künstliche Intelligenz beschäftigt uns Fremdsprachenlehrkräfte spätestens seit die Schüler*innen Übersetzer nutzen, und umso mehr, seit es Tools gibt, die gar nicht so schlechte Texte zu typischen Themen aus dem schulischen Bereich verfassen können: Charakterisierungen, Argumentation, Textanalysen, ganz zu schweigen von den eher einfachen Texten, die in den ersten Jahren im Fremdsprachenunterricht geschrieben werden (z.B. Beschreibe dein Stadtviertel in einer Email, Berichte von dem vergangenen Wochenende, u.ä.). Gar nicht so schlecht heißt, dass diese Texte vielen schulischen Bewertungskriterien wie sprachlicher Richtigkeit, Erfüllung des Operators, ausreichender Umfang u.ä. genügen würden. Auf der Inhaltsebene gibt es allerdings noch Luft nach oben: Die Ergebnisse sind teilweise fehlerhaft, häufig vor allem unoriginell. Trotzdem bieten sie viele Möglichkeiten für den Unterrichtseinsatz.

Dass wir KI bewusst in den Unterricht einbeziehen sollten ist für mich klar – sie gehört zur Lebenswelt der Schüler*innen und wird die Kommunikation in unterschiedlichen Sprachen in Zukunft sehr beeinflussen. Es ist also sinnvoll, sich damit auseinanderzusetzen, zu lernen, KI-Tools bewusst und sinnvoll zu verwenden, und auch über die Folgen zu diskutieren. Das bedeutet natürlich auch, dass sich der Unterricht verändern wird, weil sich viele bisher übliche Arbeiten einfach durch eine KI erledigen lassen, ob wir das richtig finden oder nicht. Eine sinnvolle Nutzung der KI ist auch eine Haltungsfrage: Bei Lehrer*innen und Schüler*innen Offenheit für Neues und den Ansatz, sie als Mittel zum Lernen zu sehen, und kreativ in ihrem Einsatz zu sein. Christian Spannagel hat das auf Twitter so zusammengefasst:

1. Übersetzungstools

Ich habe mir in Hinblick auf den Spanischunterricht vor allem drei Tool-Typen angesehen und stelle ein paar Ideen vor:

Übersetzungstools (z.B. Google Translator, DeepL): Sie sind schon länger im Umlauf und werden auf vielfältige Arbeit im Fremdsprachenunterricht eingesetzt:

  1. Korrektur: Die Schüler*innen geben als fehlerhaft angestrichene Ausdrücke in den Übersetzer ein, vergleichen sie mit der Version des Übersetzers und notieren sie zusammen mit der Regel.
  2. Überarbeiten eigener Texte: Die Schüler*innen schreiben einen Text, geben ihn in ein Übersetzungstool ein und erhalten durch Hin- und Rückübersetzung eine neue Fassung. In DeepL kann man auch von Spanisch zu Spanisch übersetzen lassen und braucht keine Rückübersetzung. Dann markieren sie Unterschiede, überlegen, wo es sich um Alternativen und wo um Fehlerkorrektur handelt.
  3. Wortschatzaufbau: DeepL liefert auch Synonyme, so dass ich Sätze unterschiedlich formulieren kann. (Bild 1)

Für alle Einsatzmöglichkeiten gilt:

DeepL (und auch der Google-Translator) sollten mit ganzen Sätzen, bzw. Ausdrücken genutzt werden, um idiomatische Ergebnisse zu erhalten, die so auch gelernt werden.

Übersetzer müssen klug genutzt werden. V.a. die gelieferten Synonyme bedeuten nicht genau dasselbe, wie in der Eingangsphase gesucht (Laura se reúne con sus amigos.), bzw. sind falsch (*Laura se habla con sus amigos.). Schüler*innen müssen lernen, den Ergebnissen nicht blind zu vertrauen, sie mit ihrem Vorwissen abzugleichen und Strategien zur Überprüfung einzusetzen, wie z.B. die Rückübersetzung (Bild 2), bzw. das Eingeben des Satzes in eine Suchmaschine um festzustellen, ob diese Formulierung überhaupt brauchbare Ergebnisse liefert.

2. Chatbots

Chatbots: Seit OpenAI seinen playground und jüngst auch das Programm ChatGPT zur Verfügung gestellt hat, probieren viele Lehrkräfte aus, was mit diesen Tools zu leisten ist. Hendrik Haverkamp verwendet das Tool bereits sehr umfangreich und auch in Klausuren, und lässt seine Schüler*innen die gefundenen Ergebnisse vergleichen und überarbeiten und dies reflektieren. (Link) OpenAI warnt auf der Startseite des ChatGPT vor den Grenzen und Risiken der Nutzung: “May occasionally generate incorrect information, May occasionally produce harmful instructions or biased content, Limited knowledge of world and events after 2021.” (https://chat.openai.com/chat, am 18.12.2022, 13:27 Uhr) Zahlreiche Versuche haben gezeigt, dass ChatGPT inhaltlich deutlich daneben liegen kann, und sogar Informationen oder Quellen „erfindet“. Auch hier müssen die Schüler*innen also lernen, dass sie den Ergebnissen inhaltlich nicht einfach vertrauen dürfen, aber sie können das Programm trotzdem für sich nutzen:

Sehr vielversprechend ist der Ansatz von Hendrik Haverkamp auch für den Spanischunterricht: Die Antworten, die ChatGPT gibt, wenn Operatoren des Anforderungsbereichs III (discutir, evaluar …) verwendet werden, sind sehr allgemein. Die Schüler*innen können ihnen aber Anstöße entnehmen und diese dann konkretisieren. Ich habe z.B. die Aufgabe gestellt zu diskutieren, ob junge Spanier*innen in der aktuellen ökonomischen Situation nach Deutschland auswandern sollten oder nicht. ChatGPT nennt in diesem Beispiel (Bild 3) Kriterien nach denen die Entscheidung getroffen werden kann, gibt also eine sinnvolle Struktur vor. Außerdem können die Schüler*innen das Ergebnis als sprachlichen Steinbruch nutzen.

Konkreter sind die Ergebnisse, wenn ich nach konkreten Informationen frage (Anforderungsbereich I). Auch hier können Fehler enthalten sein, auch wenn ChatGPT sich weigert, absichtlich falsche Antworten unterzubringen (Bild 4). Trotzdem kann das Ergebnis ein Ausgangspunkt für eine Recherche sein, die die Schüler*innen nun viel zielgerichteter durchführen können (Bild 5).

  • Auch in den ersten Lernjahren können die Schüler*innen mit dem Programm arbeiten. Im Beispiel wird nach Freizeitaktivitäten und wo sie ausgeführt werden können gefragt. (Bild 6) Die Schüler*innen können markieren, welche Aktivitäten und Orte sie bereits kennen, und jeweils drei neue dazulernen. Ebenso können sie mit der Antwort auf die Frage ¿Qué puedo hacer en Mallorca? arbeiten. (Bild 7) Beide Aufgaben trainieren das Leseverstehen, denn die Antworten sind in nicht zu schwerem Spanisch geschrieben, enthalten aber unbekanntes Vokabular. Die Schüler*innen müssen also herausfiltern was sie bereits verstehen, sich weiteres erschließen und einen nicht verstandenen Rest tolerieren. Sie könnten aber nach eigenem Interesse einen Absatz auswählen, das Vokabular nachschlagen und weiter recherchieren.

3. Text-zu-Bild Generatoren:

Hier hat mich besonders eine Idee von Christian Stumfold inspiriert:

Die Schüler*innen geben ihre Bildbeschreibung in die KI ein, und vergleichen ihre Vorstellung mit dem erstellen Bild. Unter dem Tweet ist auch ein Beispiel abgebildet. Bei meinem Versuch hat die KI allerdings Lokalisierungen wie „a la derecha“, „al fondo“ usw. nie übernommen, so dass (noch!) Lokalpräpositionen herausfallen.

Eine weitere Idee: Die Schüler*innen geben Liedtexte ein, z.B. Weihnachtslieder, und generieren damit Bilder. Anschließend erraten die Mitschüler*innen, welches Bild welches Lied darstellt und begründen dies. Dabei stellen sie fest, dass häufig nur einzelne Schlüsselbegriffe übertragen wurden. Sie beurteilen, ob die Bilder das Lied gut wiedergeben, was noch fehlt, etc. (Wenn man den Liedtext zu „Mi burrito sabanero“ eingibt, erhält man übrigens das Bild eines mexikanischen Snacks.) Auf diese Weise setzen sie sich mit den Liedtexten inhaltlich auseinander und beschreiben Bilder und Emotionen. Hier das Beispiel: https://www.canva.com/design/DAFVBcuIh3Y/219j12spBBm88EvCdiodlw/view?utm_content=DAFVBcuIh3Y&utm_campaign=designshare&utm_medium=link2&utm_source=sharebutton

Fazit:

Die Möglichkeiten, KI zum Spracherwerb zu nutzen sind vielfältig, und gerade weil die Schüler*innen Strategien benötigen, um sie sinnvoll zu nutzen, sollten wir sie im Unterricht verwenden und letztere einüben.

Ein Wort noch zu den verwendeten Tools: Alle hier verwendeten Seiten und Tools (OpenAI, ChatGTP, Canva) sollten auch kritisch betrachtet werden. Sie sind kostenlos zu nutzen, z.T. nur mit Anmeldung, was nicht bedeutet, dass sie ganz unproblematisch sind. Sie sind nicht dsgvo-konform, d.h. die Schüler*innen sollten auf gar keinen Fall persönliche Daten hinterlassen. Sie dienen letztendlich kommerziellen Zwecken. Die bekanntesten Tools aufzugreifen heißt auch, v.a. immer wieder dieselben großen Plattformen zu fördern, statt kleinere bekannt zu machen und ein breiteres Angebot zu unterstützen. Sie aus diesen Gründe nicht zu nutzen halte ich aber nicht für sinnvoll, denn sie gehören bereits zum Leben unserer Schüler*innen. Unsere Aufgabe ist es, sie in einer sinnvollen Nutzung zu unterstützen, sie zum Ausprobieren aber auch zu einer kritischen Grundhaltung zu ermutigen.

Zum Nach- und Weiterlesen:

Ganz frisch gebloggt ebenfalls zu KI im Spanischunterricht hat Iris Laube: https://www.ingerfeldundlaube.de/blog/ki-im-fremdsprachenunterricht

Zur Arbeit von Hendrik Haverkamp z.B.: Christoph Meier (swiss competence centre for innovations in learning):  https://www.scil.ch/2022/12/17/chatgpt-einsatz-im-unterricht-und-bei-pruefungen/, sowie: https://the-decoder.de/ein-lehrer-laesst-ki-bei-klassenarbeiten-zu-das-hat-er-dabei-gelernt/

Sehr spannend die Überlegungen von Nele Hirsch zur Nutzung von KI im Bildungsbereich: https://ebildungslabor.de/blog/einordnung-und-nutzung-von-ki-in-der-bildung/

Philippe Wampfler: Grundlagenartikel: Umgang mit KI-Programmen im Schreibunterricht https://schulesocialmedia.com/2022/10/15/grundlagenartikel-umgang-mit-ki-programmen-im-schreibunterricht/

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Joan Miró – hablar sobre el arte

Zur Zeit kann man in unserer kleinen Stadt eine ebenfalls kleine aber sehr feine Ausstellung mit Werken des katalanischen Künstlers Joan Miró besuchen. Bei der Gestaltung und im Rahmenprogramm werden die lokalen Schulen regelmäßig eingebunden, so wurde unter anderem das Ausstellungslogo in einem Schüler*innenwettbewerb gestaltet.

Ein Besuch mit einer Klasse lohnt sich auf jeden Fall, aber ich möchte auch, dass die Schüler*innen sich sprachlich mit den Bildern auseinandersetzen. Da Miros Bilder kaum gegenständlich sind, ist eine Bildbeschreibung sehr anspruchsvoll; viele Bilder ließen sich allein der Beschreibung nach vermutlich kaum unterscheiden.

Im Folgenden zeige ich an fünf Beispielen, wie sich Schüler*innen unterschiedlicher Niveaus, auch nach einem Lernjahr, mit den Bildern und Miros Biografie beschäftigen können. In einem Fall müsste auf dem Arbeitsblatt auch ein Bild sein, was ich hier aus urheberrechtlichen Gründen natürlich nicht darstellen kann. Statt dessen verlinke ich in der Beschreibung auf einzelne Bilder. Die Arbeitsblätter können auch für die Beschäftigung mit anderen, ähnlichen Bildern verwendet werden.

1. Biografía para niños

Dieses Video des YouTube-Kanals „Anakronismos“ erzählt eine Geschichte über die Tiere, die sich in Miros Bildern – mit etwas Fantasie – erkennen lassen. Mit etwas Vorbereitung können bereits Schüler*innen nach dem ersten Lernjahr Teile des Textes verstehen und sie erhalten einen ersten Eindruck von Miros Malerei.

2. Mediación

In dem Video des ersten Teils entsteht die Beziehung zu Miros Biographie durch die Bilder und durch die Orte, an denen er gelebt hat: Barcelona, Paris und Mallorca. Hier lernen die Schüler*innen einige weitere Fakten über Miros Leben kennen und sprachmitteln dies. Die Textgrundlage ist eine Informationstafel in der Ausstellung, die Aufgabe kann aber an jeden anderen Text angepasst werden.

3. Ubicar colores

Charakteristisch für viele Bilder Miros ist die Farbgestaltung: häufig sind es nur wenige Grundfarben. In dieser Aufgabe sollen Schüler*innen sich gegenseitig die Farbgestaltung eines Wandteppichs beschreiben, der Partner / die Partnerin koloriert nach diesen Angaben den Ausdruck einer schwarz-weiß Fotografie des Wandteppichs.

4. Ver detalles

Auch wenn Miro sich in vielen Werken auf wenige Farben beschränkt, enthalten sie im Gegenzug sehr viele Formen und Details. Einige Formen wiederholen sich und werden neu kombiniert. Ihre Deutung ist dabei – trotz aller Versuche, Miros Symbolik zu entschlüsseln – nicht eindeutig, und so können auch die Schüler*innen selbst entscheiden, was sie in einzelnen Formen wiederzuerkennen meinen. Diese Aufgabe zielt daher darauf ab, möglichst viele Formen zu deuten und zu erproben, ob diese Deutung für andere nachvollziehbar ist. Grundlage ist ein Bild aus der Reihe Constellations: https://www.moma.org/collection/works/29082

5. Verano

Das Bild zeigt eine Strandszene. Die Details (Meer, Wellen, Personen, Sonne, Mond, Strand) sind klar zu erkennen, weshalb auch „klassische“ Methoden des Umgangs mit Bilder möglich sind: Beschreibung, Imaginieren einer Geschichte, Dialoge zwischen den Beteiligten u.a. ES handelt sich um dieses Bild: https://www.plazzart.com/de_CH/kauf/moderne-kunst/joan-miro-sommer-1938-lithographie-508317

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La Movida madrileña und ein paar Überlegungen zum Hörverstehen

Vorüberlegungen: Thema und Kompetenz Hörverstehen

Nachdem wir uns in der Kursstufe mit dem nicht von allen geliebten Thema „Franquismo“ beschäftigt haben, wollte ich mit einem Einblick in die Movida madrileña, der (sub)kulturellen Explosion, die auf auf die bedrückende Atmosphäre der Franco-Ära folgte, abschließen. Herausfordernd bei historischen Themen finde ich, dass der Unterricht thematisch sehr dicht ist, weil die spanische Geschichte den meisten meiner Schüler*innen fremd ist, ich also schon in die Ereignisse einführen muss, zugleich aber auch möchte, dass sie eine Vorstellung von einem Leben in dieser Zeit entwickeln, also nicht auf einer oberflächlich-abstrakten Ebene verbleiben, und schließlich die sprachlichen Mittel, um all das zu verhandeln, in Teilen auch erst neu erarbeitet werden. Aus vielerlei Gründen blieb es bei der Movida bei einem kurzen Einblick, bei dem außerdem das Hörverstehen im Vordergrund stehen sollte.

Hör- und Leseverstehen waren in den letzten Jahren sehr von der Fokussierung auf geschlossene Aufgabenformate (falsch/richtig, Multiple Choice, Lücken) dominiert; dahinter stand der Gedanke, das Verstehen von der Produktion zu trennen, also zeigen zu können, dass man einen Text verstanden hat, auch wenn evtl. die sprachlichen Mittel fehlten, dies auszudrücken. Das ist aus der Perspektive des Testens sinnvoll, aber meines Erachtens nicht aus der des Lernens und auch nicht aus der einer authentischen Kommunikation. Aufgabenstellungen sollen eine (fast) immer vorhandene Hörabsicht ersetzen; eine Multiple-Choice-Frage strukturiert das Hören aber in einer Weise vor, wie es außerhalb der Schule nur in Ausnahmefällen geschieht. Wann höre ich einen Podcast oder sehe einen Film und achte nur darauf, welche von drei vorgegebenen Aussagen gemacht wird? Wer gibt mir immer drei Möglichkeiten und garantiert mir, dass eine davon richtig ist? So sinnvoll es ist, aktives Zuhören zu trainieren, sollte das meiner Meinung nach, um einer authentischen Situation nahezukommen, auf eine offene Aufnahme (eines Teils) des Gehörten auf der Basis von eigenen Erwartungen und später des bereits rezipierten Textes hinauslaufen. Und genau das übt man mit Multiple-Choice-Aufgaben nicht. Außerdem widerstrebt es mir einfach, die Beschäftigung mit einem Text so stark zu lenken. Ich nutze solche Aufgaben also nur wenn ich direkt auf Prüfungen vorbereite, aber sonst eher nicht.

Die Beschäftigung mit Texten (mündlich oder schriftlich) dient im Fremdsprachenunterricht zusätzlich immer auch als Input für sprachliche Mittel. Zusätlich zu denen, die gebraucht werden, um die Texte zu verstehen, die die Schüler*innen also vorher brauchen, stellen sie weiteres Vokabular und komplexe Wendungen zur Verfügung, die in Zukunft verwendet werden können. Eine Auseinandersetzung mit der Sprache ist allein auf Basis des Hörens aber eher schwierig. Daher setzte ich zur Nachbereitung von Hörtexten auch gern die Transkripte ein, die auch schon zur Überprüfung des Gehörten dienen können. Für die Erstellung von Transkripten zu Hörtexten gibt es inzwischen Software, aber einfacher ist es natürlich, wenn sie bereits da sind: zu vielen YouTube-Videos gibt es automatische Transkripte, die allerdings sprachlich nicht immer ganz korrekt sind, und erfreulicherweise ist auch bei einigen Podcasts ein Transkript angefügt.

Während das Lösen von geschlossenen Aufgaben zu Hörtexten für das Lernen weniger geeignet ist, ist es das Erstellen solcher Aufgaben aber durchaus: Auf inhaltlicher Ebene müssen die Schüler*innen relevante Informationen von eher unwichtigen unterscheiden, und bei Multiple-Choice-Aufgaben sich gut genug mit dem Thema auskennen, um plausible Distraktoren zu entwerfen. Auf sprachlicher Ebene müssen sie den Text für die Aufgabenstellung umformulieren und paraphrasieren und außerdem Vokabelangaben einplanen. Die Lösungen der Mitschüler*innen, die den Text mit ihren Aufgaben rezipieren, geben Aufschluss darüber, wie gut sie das jeweils gemacht haben.

Die Stunde

Aufgrund dieser Vorüberlegungen, und nachdem ich erfreulicherweise passende Hörtexte mit Transkription gefunden hatte, entstand die folgende Unterrichtsstunde:

Den Einstieg bildete der Trailer zu Pedro Almodóvars Debutfilm „Pepi, Luci, Bom y otras chicas del montón“ (auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=dqox5M8HHdw ) unter der Leitfrage: ¿Por qué la película escandalizó a la sociedad de entonces? Die Sequenz ist nur 56 Sekunden lang. Man sieht junge Frauen die sich in der Diskothek amüsieren, einen Transvestiten und auch die Vergewaltigung einer Frau durch einen älteren Mann. Für die Schüler*innen erschloss sich schnell, dass der Film dem traditionellen Frauenbild (ausgerichtet an Ehe und Mutterschaft) widerspricht, dass explizite Sexualität und Homosexualität einen Skandal darstellte und die gezeigte Gewalt als symbolisch für die Diktatur gesehen werden kann.

Vertiefte Informationen zum kulturellen Kontext, der Movida, sowie zu Pedro Almodóvar sollten sie zwei Podcasts entnehmen, arbeitsteilig, so dass jeweils ein Podcast von einer Gruppe gehört, und anschließend mithilfe des Transkripts für die andere Gruppe aufbereitet wurde. Die Ziele, neue Informationen aufzunehmen und das Hörverstehen zu trainieren wurden vorher besprochen, so dass auch klar war, dass das Transkript sinnvollerweise erst nach dem Hören und dem Austausch darüber hinzugezogen werden sollte. Anschließend wurden die Aufgaben jeweils einer anderen Gruppe zur Verfügung gestellt.

Aufgabenstellung
Aufgabenstellung (s. Link)

Abschließend wurde die Frage diskutiert, ob es für uns heute noch interessant ist, diesen Film zu sehen, und ob es Filme gibt, die das Lebensgefühl der Schülerinnen widerspiegeln.

Eine Anmerkung zur Auswahl der Texte: Ich arbeite hier mit Podcasts für Spanischlerner*innen, weil sie Hintergrundinformationen liefern, die Sendungen für ein spanischsprachiges Publikum einfach voraussetzen. An anderer Stelle nehme ich für die Kursstufe lieber authentische Aufnahmen wie Interviews, Kommentare o.ä.

Podcasts für Spanischlerner*innen auf unterschiedlichen Niveaus finden sich u.a. hier:

https://letsspeakspanish.com/es/blog/podcasts-para-aprender-espanol/#18

https://www.spanishpodcast.net/blog/

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Bildung für nachhaltige Entwicklung: Planear un viaje sostenible

„Bildung für nachhaltige Entwicklung“ ist in den Bildungsplänen der Länder auf allen Stufen verankert und wird als fachübergreifende Aufgabe verstanden, die die Schüler*innen dazu befähigen soll, verantwortungsbewusst in einer globalisierten Welt zu handeln, also Zusammenhänge zu erkennen, ein Problembewusstsen zu entwickeln und das Ziel nachhaltiger globaler Entwicklung in die eigenen Entscheidungen einzubeziehen.

Jugendliche messen dem Klima- und Umweltschutz eine hohe Bedeutung bei und liegen dabei noch über dem gesamtgesellschaftlichen Trend, wie eine alle zwei Jahr durchgführt Studie des Umwelt-Bundesamts zeigt. Zugleich besteht eine gewisse Kluft zwischen Umweltbewussthsein und umweltfreundlichem Handeln. So zeigt die Studie in ihrer Umfrage von 2018 einen Wert von 7,9 (von 10) für „Umweltkognition“, aber nur 4,6 für „Umweltverhalten“. Begründet wird dieser Unterschied mit Kosten-Nutzen-Motiven – das „richtige“ Handeln bedeutet z.B. Verzicht, höhere Kosten und das Aufgeben von Gewohnheiten –, sowie psychologischen Ursachen, z.B. mangelnde Selbstwirksamkeitserwartung (Nur weil ich jetzt verzichte, wird sich nichts ändern.).

Auch in der Schule greifen diese Effekte: Schüler*innen wissen, dass Umweltbewusstsein sozial erwünscht ist, teilen diese Ziele auch, und können sich daher im Unterricht entsprechend äußern. Dennoch resultiert aus diesem Wissen nicht automatisch ein verändertes Handeln. Hier greifen die didaktischen Prinzipien Handlungsorientierung und Reflexion an: Indem die Schüler*innen der Nachhaltigkeitsthematik im Rahmen einer handlungsorientierten Aufgabe begegnen, setzen sie sich damit auseinander und müssen nach alltagstauglichen Lösungen suchen, ohne die Vision einer nachhaltigen Welt aus den Augen zu verlieren. Die daraus entstehenden Konflikte werden im Anschluss besprochen. Eine übersichtliche Darstellung der pädagogischen „BNE-Prinzipien“ findet man zum Beispiel im Portal von éducation 21 (s.u.)

Die Aufgabe: Planear un viaje

Handlungsorientierung ist daher das grundlegende Prinzip der folgenden Aufgabe zur Vermittlung von BNE im Spanischunterricht der Kursstufe: Planear un viaje sostenible a Andalucía. Die Schüler*innen sollen in Gruppen eine ein- bis zweiwöchige Reise nach Andalusien planen, die folgende Anforderungen erfüllt:

  1. Die Reise ist interessant (für die Schüler*innen).
  2. Sie ist nicht zu teuer.
  3. Sie ist umsetzbar.
  4. Sie ist nachhaltig.

Hier werden die Zielkonflikte unmittelbar deutlich: Nachhaltige Angebote sind meistens teurer, was für junge Menschen einen großen Unterschied machen kann. Die Anreise mit dem Flugzeug, die mit Abstand am wenigsten nachhaltig ist, ist um ein Vielfaches schneller und auch deutlich günstiger als die Alternativen Bahn oder Bus und, wie sich im Verlauf der Einheit herausstellte, auch viel einfacher zu planen und zu buchen. Die Schüler*innen müssen sich also Entscheidungen treffen und auch darüber diskutieren, welcher Weg für sie gangbar ist.

Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. (Quelle s.u.)

Die Aufgabe bildet den Abschluss einer Unterrichtseinheit zu Andalusien. Zum Einstieg werden die Nachhaltigkeitsziele der UNO gezeigt und besprochen, welche Zusammenhänge zum Tourismus bestehen. Hier geht es auch darum, das Thema „Nachhaltigkeit“ über den reinen Umweltbezug hinaus aufzuzeigen.

Dann erhalten die Schüler*innen die Aufgabe, sowie eine TaskCard mit Links zu Tourismusanbietern, Verkehrsbetrieben und auch einer Seite zur Berechnung des CO2-Abdrucks. Ebenso werden Vokabelübungen zum Thema Reisen und Umwelt verlinkt, mit dem Hinweis, jeden Tag etwas zu üben. Diese Reisen sollen in einem Power-Point gestützten Vortrag vorgestellt werden, der Kurs stimmt dann darüber ab, welche Reise sie gern durchführen würden. Thematisiert wurden auch die Anforderungen an die Abschlusspräsentation: die Zielgrößen mussten vergleichbar sein und entsprechend dargestellt werden.

Screenshot der Taskcard. Link zur Taskcard s.u.

Erfahrungen:

Ich habe die Aufgabe bereits mit zwei Kursen bearbeitet und dabei die Vorgehensweise weitesgehend den Schüler*innen überlassen, sie aber auch zwischendurch mit ihnen reflektiert. Die Gruppen teilten die Aufgaben intern auf, wobei sich schnell zeigte, dass es einfacher war, ansprechende Aktivitäten zu finden, als die Reise selbst zu organisieren. Es waren regelmäßige Abstimmungen, Zwischenreflexionen und auch Neujustierungen nötig, für die ich jeweils zu Beginn der Doppelstunde Zeit eingeräumt habe.

In beiden Kursen waren die Lösungsvorschläge vielfältig und die Reisen deckten ein weites Spektrum an kulturellen und sportlichen Angeboten ab, was sicherlich auch damit zu tun hat, dass Andalusien ein attraktives Reiseziel ist, das vielen Interessen der Schüler*innen entgegenkommt. Für das nachhaltige Reisen wurden sehr unterschiedliche Lösungen gefunden: Große Hotelketten wurden gemieden, stattdessen Jugendherbergen, kleine Pensionen oder Campingplätze gewählt. Die meisten Gruppen entschieden sich trotz der langen Reisezeit für die Anreise mit der Bahn, eine Gruppe wollte fliegen und das CO2 kompensieren.

Nicht alle Präsentationen entsprachen dabei den Anforderungen in Bezug auf Klarheit und Vergleichbarkeit, was dann auch von der Lerngruppe kritisiert wurde.

Links und Angaben:

Hier ist der Link zur Taskcard: https://www.taskcards.de/board/f6d56db2-0941-40dd-8ae8-186f8ef7b697?token=0258a6de-79ee-4dfa-bcae-7b6393fcc3e6

Die Nachhaltigkeitsziele der VN auf Spanisch: https://www.un.org/sustainabledevelopment/es/objetivos-de-desarrollo-sostenible/

Studie des Bundesumweltamtes: https://www.umweltbundesamt.de/daten/private-haushalte-konsum/umweltbewusstsein-umweltverhalten#stellenwert-des-umwelt-und-klimaschutzes (10.01.2022 abgerufen)

Éducation 21 (nationales Kompetenz- und Dienstleistungszentrum für Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) in der Schweiz): https://www.education21.ch/de/bne-prinzipien (10.01.2022 abgerufen)

Bildquelle UN-Ziele: UNDP – https://www.undp.org/content/undp/en/home/sustainable-development-goals.html, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=52672594

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Lehrproben und Unterrichtshospitationen – ein paar Gedanken zum Referendariat

In den letzten Wochen bin ich auf Twitter immer wieder auf sehr kritische Äußerungen zum Referendariat, vor allem zu Unterrichtshospitationen und Lehrproben gestoßen. Auch wenn mir diese Kritik nicht neu ist, schockiert es mich immer wieder, von wie vielen Kolleg*innen an der Schule diese Zeit als „toxisch“ und „traumatisierend“ empfunden wird und wurde. Ich möchte ein solches Erleben niemandem zumuten, ich kenne auch niemanden, der das will. Um es vorwegzunehmen: Ich denke, dass Ausbilder*innen wie LAA in hohem Maße bereit sein müssen, eigene Konzepte zu hinterfragen und stets im Gespräch darüber sein müssen, was sie von sich selbst und voneinander erwarten und vor allem, was guter Unterricht ist. Aber zunächst meine Gedanken zu einigen der Kritikpunkte:

Sind Unterrichtshospitationen artifiziell und unrealistisch?

Zu den schwierigsten Erfahrungen gehören die Unterrichtshospitationen und die anschließende Beratung und z.T. auch Benotung. Die Erwartungen von Ausbilder*innen werden als überzogen und teilweise auch völlig unvorhersehbar erlebt, die hospitierten Stunden werden in der Konsequenz manchmal sogar zu einer „Theateraufführung“, um diese zufriedenzustellen.

Es werde eigentlich immer ein „Methodenfeuerwerk“ erwartet, das im alltäglichen Unterricht so gut wie nie zu sehen, und bei einer durchschnittlichen Arbeitsbelastung auch nicht zu leisten ist. Clara Schaksmeier beschreibt dies in ihrem Blog als „GAP-Problem“. Aber ist der Vergleich wirklich stimmig? In Lehrproben sollen LAA zeigen, dass sie guten Unterricht halten können, unterschiedliche Methoden kennen, auf ihre Schüler*innen eingehen usw. Das sind Ausnahmesituationen, auf die man sich, je nach Bundesland, unterschiedlich lang vorbereiten kann, in Baden-Württemberg z.B. drei Tage. Die Erwartung ist also die zu zeigen, wie gut ich unterrichten kann, wenn ich viel Zeit zur Vorbereitung habe, mir in Ruhe über alle Details und Unabwägbarkeiten Gedanken machen, verschiedene Vorgehensweisen abwägen kann, usw. Das sind natürlich nicht die Rahmenbedingungen, die sonst im Schulalltag vorherrschen. Trotzdem würde ich sagen, dass die meisten Lehrer*innen sich über Unterricht sehr viele Gedanken machen, die sie aber oft auch schon in produktive Handlungsroutinen übersetzt haben. Sie müssen vielleicht nicht mehr daran denken alle Schüler*innen im Blick zu haben, zu loben, usw., weil sie es automatisch tun. Und wenn sie auch nicht für jede Stunde aufwändiges Material konzipieren (was gar nicht immer gebraucht wird), haben sie das für einige Stunden durchaus getan. Die Dinge, die in Hospitationen gezeigt werden (sollen), sind im Schulalltag vorhanden und dort genauso relevant wie in einer Hospitation, nur eben nicht immer leistbar. Aber eben auch nicht nie.

Vermutete Erwartungen

Ein großer Stressfaktor ist der Eindruck, uabhängig davon wie man selbst Unterricht wahrnimmt, subjektiven Vorstellungen der Ausbilder*innen genügen und deshalb eben eine Traumstunde für sie inszenieren zu müssen. Das kann eigentlich, wenn überhaupt, nur zufällig gelingen – was für eine Anforderung zu erraten, was jemand, den ich nur wenig oder gar nicht kenne, in einer bestimmten Situation erwarten würde.

Lehrproben und Hospitationen zu Beratungszwecken sind kein artifizielles Produkt, es sind zunächst einmal echte Unterrichtsstunden mit echten Schüler*innen und echten Lernzielen. LAA sollten sie nicht an vermuteten Erwartungen ausrichten, und Ausbildende sollten keine spezifischen Erwartungen an Vorgehensweisen haben, außer, dass sie zum Ziel führen. Lehrende, auch wenn sie gerade beobachtet werden, sollten Unterricht an ihren Schüler*innen ausrichten und Vorgehensweisen nach deren Bedürfnissen wählen, und Beobachtende sollten ihn daran messen. Das setzt natürlich voraus, dass ein gemeinsames Verständnis von „gutem Unterricht“ besteht und das kann nur entstehen, wenn sich beide Seiten darüber immer wieder austauschen. „Guter Unterricht“ ist kein leicht zu fassender Begriff, Tiefenstrukturen sind schwerer zu erkennen und zu verdeutlichen als Methoden, aber nur der stete Austausch darüber ermöglicht es meiner Meinung nach, mit gleichen Erwartungen in eine Hospitationsstunde zu gehen, und nicht das „Methodenfeuerwerk“ zum Maßstab zu machen. LAA müssen dazu eventuell Präkonzepte über Schule und Lernen hinterfragen; Ausbilder*innen müssen offen für Entwicklungen und Vorstellungen ihrer Referendar*innen sein, und mit ihnen zusammen an einem Konzept von „gutem Unterricht“ arbeiten.

Bin ich eine schlechte Lehrerin?

Sehr belastend ist im Referendariat auch, wenn man sich als Person, zumindest als Lehrperson, in Frage gestellt sieht und oft auch selbst stellt. Diese Erfahrung haben sicher die meisten Lehrer*innen irgendwann einmal gemacht, ich auch. Aufgemuntert hat mich ein Aufsatz, den ich damals gelesen, und seither leider nie wieder gefunden habe: „How to be a really rotten teacher“. Bin ich eine schlechte Lehrerin, weil ich in der letzten Stunde kein einziges Unterrichtsziel erreicht, die Aufmerksamkeit der halben Klasse verloren und dann eine völlig unrealistische Hausaufgabe gestellt habe? Die Antwort: Nein, ich bin nur eine Lehrerin, die gerade eine wirklich schlechte Stunde gehalten hat. Nach vielen Jahren Berufserfahrung kann ich mit einem positiven Selbstkonzept etwas zersaust aber insgesamt unbeschadet aus solchen Erfahrungen hervorgehen. Als Berufsanfänger*in muss man aber erst selbst in die neue Rolle finden und ein Selbstkonzept entwickeln. Negative Erfahrungen und Kritik von außen haben ein ganz anders Gewicht, stellen manchmal eben gleich die Berufswahl, die Eignung oder gar die eigene Persönlichkeit in Frage. Auch wenn Kritik gut gemeint ist und sich ausschließlich auf ein Vorgehen, und nicht auf die Person bezieht, kann sie Schaden anrichten, wenn sie isoliert im Raum steht, und nicht Teil einer gemeinsamen Arbeit an gemeinsamen oder zumindest gegenseitig wahrgenommenen und akzeptierten Zielen ist.

Für mich ist also das Entscheidende, bereit zu offenen Gesprächen zu sein und dabei vorauszusetzen, dass die andere Person ein echtes Interesse daran hat zu lernen und sich zu entwickeln, bzw. mich als LAA auf diesem Weg zu unterstützen.

Zu diesem Text wurde ich angeregt durch den Beitrag von Clara Schaksmeier (https://www.claraschaksmeier.de/post/das-gap-problem-im-referendariat), die Überlegungen von Björn Nölte (https://noelte030.medium.com/anmerkungen-zum-lehramts-referendariat-e698d6c4aa3e ), vor allem auch die zahlreichen Initiativen zum Austausch von Iris Laube-Stoll und Catrin Ingerfeld (https://www.ingerfeldundlaube.de/ ) und die Beiträge der vielen Kolleg*innen, die sich daran beteiligt haben und unter dem Hashtag #fl_seminar schreiben, sowie die gemalten Denkanstöße von Karl-Heinz Hellwald (hier exemplarisch: https://twitter.com/HellwaldKarl/status/1440921019640860675?s=20) . Und natürlich sowieso die Gespräche mit meinen lieben Kolleg*innen am SAF Rottweil.

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Besser schreiben und sprechen: die „20 Keys“

Ich übernehme nach den Ferien einen neuen Spanischkurs in der Oberstufe. Die Schüler*innen befinden sich dann im 4. Lernjahr. Die Spracherwerbsphase gilt damit als abgeschlossen, d.h. die Grammatik wurde eingeführt – trotzdem beherrschen die Schüler*innen sie natürlich nicht alle gleich sicher.

Zu Beginn des Spanischunterrichts werden die neuen grammatikalischen Strukturen immer wieder verwendet, weil es ohne sie gar nicht möglich ist, Sätze zu bilden. Im Laufe der ersten Jahre kommen aber immer mehr Strukturen hinzu, die im Spanischen zwar häufig gebraucht werden, aber von den Schüler*innen nicht mehr in derselben Intensität genutzt werden. Vor allem als schwieriger und fremd empfundene Strukutren (Subjuntivo! Perífrasis verbales!) werden wenig verwendet. Daher drohen sie auch, aus dem aktiven Gebrauch zu verschwinden, bzw. sich erst gar nicht richtig zu verfestigen und müssen immer wieder aufgegriffen werden.

Ich habe allerdings die Erfahrung gemacht, dass auch in der Kursstufe Grammatikeinschübe nicht immer dazu führen, dass diese Strukturen von den Schüler*innen selbständig (und richtig) verwendet werden, sobald sie frei sprechen und schreiben, und daher nach einer Möglichkeit gesucht, immer wieder auf diese Strukturen zurückzukommen, ohne dass Grammatik den Unterricht dominiert. Einen vielversprechenden Ansatz habe ich jetzt bei Elena Díaz, in ihrem Blog „ThinkingEd“ entdeckt: die „20 Keys“.

Es handelt sich um frequente und komplexere Strukturen, die, wenn sie richtig beherrscht werden, flüssige und authentische spanische Formulierungen ermöglichen. Diese 20 Keys werden immer wieder und bei allen Themen wiederholt, auf unterschiedliche Weise geübt und dienen auch als Grundlage für Korrekturen und Feedback.

Für meinen neuen Spanischkurs (Basis- und Leistungsfach in der Oberstufe) habe ich deshalb die „20 Keys“ angepasst und möchte sie folgendermaßen einsetzen. Sowohl die Gestaltung der Materialien als auch das grundlegende Vorgehen beim Korrigieren habe ich dabei von Elena Díaz übernommen.

Spanische Grammatik
20 llaves für die Kursstufe

1. Als Übersicht mit Beispielen zur Orientierung

Die Schüler*innen haben die Grundgrammatik bereits gelernt, es geht jetzt darum sie zu wiederholen, zu vertiefen und sie im Einzelfall auszubauen. Die Übersicht dient zur Selbstevaluation: Was kann ich schon? Was muss ich wiederholen? Die Beispiele sind Hinweise, keine abschließende Liste.

Die Schüler*innen bekommen die Übersicht zu Beginn des Kurses. Sie gehen die Liste durch und haken ab, was sie sicher zu können meinen. Dann tauschen sie sich untereinander über die schwierigeren Strukturen aus.

2. Als Leitfaden zur Grammatikwiederholung

Auch wenn wir gemeinsam üben, wird die Übersicht herangezogen. Die Schüler*innen können auch eigenständig wiederholen, bzw. gezielt fragen, wenn sie etwas nicht wissen.

3. Als Unterstützung beim Sprechen und Schreiben

Ich thematisiere, dass diese Strukturen hilfreich sind, um sich differenziert auszudrücken. Die Schüler*innen können die Übersicht neben sich legen, wenn sie formulieren, und so nach und nach mehr Strukturen einbauen. Eventuell gibt es individuelle Zielsetzungen, welche Strukturen als nächstes verwendet werden sollen.

4. Für Feedback und Überarbeitungen

Wenn ich Texte korrigiere oder Rückmeldung zu einem längeren mündlichen Beitrag gebe, aber auch zur Bewertung der sprachlichen Qualität, ziehe ich gelungene Formulierungen ebenso wie Fehler heran. Bei den positiven Formulierungen habe ich das bislang eher unsystematisch gemacht: ich habe vermerkt, welche Formulierungen komplex waren, anspruchsvolleres Vokabular enthielten, etc. Mi den „20 Schlüsseln“ habe ich jetzt eine verbindliche Übersicht, und kann auch einfacher rückmelden, welche Strukturen bereits gut verwendet wurden, welche darüber hinaus ausprobiert werden sollten, etc.

Ich sehe folgende Vorteile:

  1. Grammatik wird stärker in die Sprachproduktion integriert und nicht isoliert behandelt.
  2. Mit den „20 Schlüsseln“ sind die Strukturen den Schüler*innen immer präsent, die Grammatik wird daher quasi dauernd wiederholt, ohne den Unterricht zu dominieren.
  3. Die Ziele sind transparent. Die Schüler*innen können sich an der Liste orientieren.
  4. Die Schüler*innen arbeiten selbständig und individuell. Sie evaluieren regelmäßig, welche Strukturen sie schon gut können und setzen sich Ziele für die nächsten Schritte.

Ich bin gespannt, wie sich dieses Vorgehen für meinen Kurs bewährt.

Hier sind meine „20 claves“ als Word-Dokument:

Hier geht es zum Blog von Elena Díaz: https://thinkingediaz.wordpress.com/category/20-keys/

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Die erste Spanischstunde – escribir una carta

Die ersten Stunden in einer neuen Fremdsprache haben immer eine ganz besondere Bedeutung: sie setzen den „Ton“ für die kommenden Monate. Auch wenn nebenher noch Organisatorisches geklärt werden muss, liegt der Fokus daher vor allem auf der Motivation und der ersten Kommunikation; es wird darauf Wert gelegt, dass die Schüler*innen gleich zu Beginn Neues erlernen und auch ihr jeweiliges Vorwissen einbringen können.

Ab der zweiten Fremdsprache werden die Lerngruppen oft aus Schüler*innen verschiedener Klassen zusammengestellt. Ein gutes Gruppenklima ist Voraussetzung dafür ist, dass die Schüler*innen sich trauen, offen und zunehmend frei zu sprechen. Daher lohnt es sich, gleich zu Beginn auf ein gegenseitiges Kennenlernen und einen vertrauensvollen Umgang miteinander zu achten, um so eine Kooperation über Klassen- und Cliquengrenzen anzubahnen. Das funktioniert meiner Erfahrung nach am besten über Kommunikation.

Spanisch ist für viele Schüler*innen der weiterführenden Schulen bereits die dritte schulische Fremdsprache. Dies bedeutet, dass sie bereits ein umfangreiches Sprach- und Sprachlernwissen besitzen, das ihnen beim Erlernen des Spanischen von Nutzen sein kann. Auch sind sie es bereits gewohnt, kommunikativ zu arbeiten. Ansätze, die dieses Vorwissen aufgreifen, nehmen oft auf dem Weg der Mehrsprachigkeitsdidaktik die rezeptive Lesekompetenz in den Blick. Für die Schüler*innen ist es meist motivierend, sich gleich zu Beginn ein Plakat, Hinweisschilder oder auch einen einfachen Text in der Fremdsprache selbst zu erschließen.

Hier möchte ich zeigen, dass über das Leseverstehen hinaus eine anspruchsvollere produktive Sprachhandlung, nämlich das Schreiben eines Briefs, durchaus bereits in der ersten Spanischstunde möglich ist. Die Schüler*innen erwerben zunächst erste Kenntnisse des Spanischen, arbeiten kooperativ und setzen dabei ihr Vorwissen sowie Erschließungsstrategien ein; außerdem arbeiten sie kompetenzorientiert auf eine authentische Kommunikation hin und erleben, dass sie bereits ein höheres Sprachlernniveau erreicht haben, und schon in der ersten Stunde sinnvoll miteinander kommunizieren und sich so auch besser kennenlernen können.

Lernen am Beispiel

Eine Voraussetzung der Sprachproduktion ist zunächst ein gewisser Input aus dem die Schüler*innen das sprachliche Material schöpfen können. In diesem Fall ist es ein Brief des fiktiven spanischen Jugendlichen Roberto, der zunächst gelesen und dann in mehreren Schritten bearbeitet wird. Zuerst werden „Verstehensinseln“ gebildet und der Inhalt soweit wie möglich aus bekannten Sprachen, sowie aus dem Kontext abgeleitet. Die Partnerarbeit im zweiten Schritt hilft dabei, kooperativ Hypothesen zu überprüfen und Lücken zu schließen. Lernschnellere Schüler*innen können schon damit beginnen, erste Grammatikregeln herzuleiten (s. Arbeitsblatt). Noch offene Fragen werden in der anschließenden Besprechung beantwortet. Zusätzlich lernen die Schüler*innen erste Konventionen des Schreibens (Anrede und Verabschiedung) kennen.

So sieht das Arbeitsblatt aus. Unten kann es als Word-Dokument heruntergeladen werden.

Verfassen der Briefe

Brief und Arbeitsblatt werden den Schüler*innenn direkt zugeteilt, ich schreibe ihren Namen in die Anrede, und auch den Namen der Person, an die sie selbst einen Brief schreiben sollen. Dabei bilde ich klassenübergreifende Paare. Auf der Grundlage der Strukturen und des Vokabulars des ersten Briefs verfassen sie nun ihre eigenen, in welchem sie sich selbst vorstellen. Die vorgegebenen Strukturen ermöglichen ihnen bereits eine größere Spannbreite an Ausdrucksmöglichkeiten: Name und Wohnort, Geschwister, Haustiere, Hobbies, Fernsehserien, Pläne (quiero …), Vorlieben und Abneigungen (me gusta / no me gusta). Die Verbformen werden – abgesehen von der Endung –o – nicht weiter analysiert, sondern genauso übernommen, so dass auch Verben mit Diphtongierung oder unregelmäßigen Konjugationen kein Problem darstellen. Unterstützung wird sicherlich bei der Nennung weiterer Hobbies und Haustiere benötigt werden. Hier kann entweder eine Liste zur Auswahl vorgegeben, die Arbeit mit dem Wörterbuch begonnen oder durch Nachfragen bei mir ausgeholfen werden. Während die beiden ersten Möglichkeiten das selbständige Arbeiten unterstützen, besteht bei der zweiten und dritten Variante die Möglichkeit, die erfragten Ausdrücke an der Tafel zu sammeln und so den Grundstein für eine klassenspezifische Vokabelsammlung zu legen. Die Struktur „Quiero aprender a __________ (mejor __________)“ ist herausfordender und kann im Sinne der Binnendifferenzierung von stärkeren Schüler*innenn verwendet werden.

Weiterarbeit

Die Briefe werden „zugestellt“, d.h. in einen Umschlag gesteckt und übergeben oder auch einfach ausgetauscht. Die Schüler*innen lesen ihren Brief. Hieran können sich unterschiedliche Formen der Weiterarbeit anschließen. Wenn noch Zeit ist, treffen sich die Paare, die sich gegenseitig geschrieben haben, zu einem kurzen Gespräch und unterhalten sich (auf Deutsch) weiter über ihre Hobbies. Dies dient dann vor allem dem gegenseitigen Kennenlernen. In der nächsten Stunde ist eine Weiterarbeit mit den Briefen möglich: 1) Die Schüler*innen wiederholen die Strukturen indem sie sich, jetzt mündlich, selbst noch einmal anderen vorstellen. 2) Die dritte Person wird eingeführt: se llama, tiene, le gusta, die Paare stellen sich dann gegenseitig einem anderen Paar vor. Auf diese Weise werden auch die ersten Stunden der Arbeit mit dem Lehrbuch vorentlastet.

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Vokabellernen lernen

Es steht außer Frage, dass Vokabeln die Grundbausteine für jede sprachliche Äußerung sind. Wenn ich mich verständigen will brauche ich die Wörter für alles, auf das ich nicht direkt zeigen kann; und auch um etwas zu umschreiben, geht das nicht ohne einen ausreichenden Wortschatz. Weder Lese- noch Hörverstehen funktionieren, wenn zu viele Wörter nicht bekannt sind. Je umfangreicher und sicherer der Wortschatz einer Person ist, desto besser kommt sie in der Fremdsprache zurecht – selbst wenn grammatische Strukturen noch etwas „wackeln“. Umgekehrt ist es für Schüler*innen, die wenig Wortschatz besitzen, sehr frustierend, in der neuen Fremdsprache „abgehängt“ zu sein.

Bei der Arbeit mit dem Lehrbuch stelle ich die Vokabeln daher immer an den Anfang: Sobald sie eingeführt wurden, oft in Verbindung mit dem Lektionstext, sollen die Schüler*innen sie zu Hause lernen. Das entlastet sie in den nächsten Stunden, weil dieselben Ausdrücke in den Übungen und kommunikativen Anlässen immer wieder vorkommen. Die Schüler*innen müssen dann nicht dauernd nach Wörtern suchen, können sich auf andere Aspekte konzentrieren und wiederholen das Vokabular dabei so oft, dass sie es am Schluss – z.B. zur nächsten Klassenarbeit – auch ohne viel mühsames Wiederholen gut beherrschen. Weil Vokabellernen aber nicht sehr beliebt ist, soll es so stattfinden, dass der Einsatz sich auch lohnt.

Im Laufe der Jahre habe ich allerdings festgestellt, dass es wirklich kein System gibt, das für alle Schüler*innen das Beste ist: Ich habe liebevoll über mehrere Jahre hingweg geführte, mehrspaltige Vokabelhefte gesehen, genauso wie Schmierzettel in den Vokabelseiten des Buchs. Beides kann zum Erfolg führen. Nicht sinnvoll sind widerwillig geführte zweisprachige Listen, vor allem wenn irgendwann die Zeilen verrutschen und das deutsche und das fremdsprachige Wort nicht mehr zusammenpassen … Ich selbst habe als Schülerin einen Karteikasten mit Latein-Vokabelkarten geführt, der mich bis in die 10. Klasse begleitet hat, und bin ansonsten ein Fan der Methode „Zuhalten (der fremdsprachigen Vokabeln) und Abschreiben“ – also eher die Schmierzettelfraktion.

Wie sie die Vokabeln lernen überlasse ich den Schüler*innen daher selbst, thematisiere aber vorher verschiedene Möglichkeiten. Dazu nutze ich gegen Ende der ersten Einheit eine Doppelstunde: Ich frage sie nach ihren bisherigen Erfahrungen (Spanisch ist an meiner Schule die dritte Fremdsprache.) Dann wiederholen sie die bisher gelernten Vokabeln anhand eines Lernzirkels, in dem verschiedene Lernformen vorkommen. Abschließend besprechen wir ihre Erfahrungen, welche Methode neu für sie war, was sie nützlich fanden, etc. Der angenehme Nebeneffekt ist, dass die Vokabeln in der ersten Arbeit meist wirklich gut sitzen.

Ein Vorschaubild des Lernzirkels: 7 Seiten mit den einzelnen Stationen
Lernzirkel „Vokabeln lernen“

Der Lernzirkel wird in Kleingruppen durchgeführt, die Reihenfolge der Stationen ist dabei egal. Die Schüler*innen können einzelne Stationen auch digital, z.B. auf dem Tablet und mit Stift bearbeiten, auch eine Vokabel-App wird vorgestellt. Genutzt werden kann, was immer funktioniert.

Hier geht es zum Lernzirkel als Word-Dokument, das sich auf die Unidad (oder Lesson oder … ) 1 des jeweiligen Lehrwerks anpassen lässt:

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Mit dem selbsterstellten Sprachführer unterwegs in Madrid

In einem handlungs- und kommunikationsorientierten Fremdsprachenunterricht steht die Anwendung der Sprache in einer möglichst authentischen Kommunikation im Vordergrund. Die Einschränkung „möglichst“ verweist dabei auf ein grundlegendes Problem des schulischen Unterrichts: Zwar gibt es „echte“ Sprechanlässe, wenn die Schüler*innen beispielsweise über sich selbst sprechen oder etwas präsentieren, aber oft müssen Situationen simuliert werden. Das gilt zum Beispiel für alle Situationen, die zwar Alltag sind, aber nur im entsprechenden Sprachraum in der Fremdsprache stattfinden: etwas einkaufen, Dialoge mit Gasteltern führen, uvm. Es ist sinnvoll zu lernen, wie diese Situationen sprachlich bewältigt werden können, und es ist auch nicht unrealistisch, dass Schüler*innen im nächsten Urlaub diese Kenntnisse anwenden können; im Unterricht müssen sie aber erst einmal künstlich nachgestellt werden. Dabei finde ich es immer wieder erstaunlich, wie bereitwillig sich die Schüler*innen auf die unterschiedlichsten Sprechanlässe einlassen.

Echte Gespräche führen

Diese Ansätze finde ich hilfreich, damit auch diese Gespräche mit Interesse geführt werden: Die Situation wird von vornherein als Rollenspiel konzipiert, in dem die Rollen entweder sehr schülernah oder sehr interessant sein müssen, damit die Schüler*innen sich damit identifizieren können und auch Interesse an der Situation entwickeln: Sie führen z.B. ein Gespräch zwischen Charakteren einer Sitcom über ein gemeinsames Abendessen, die Einrichtung der WG o.ä. Oder sie entwerfen ein Konzept für die Schulcafeteria oder bewerben sich mit Informationen über unsere Schule für einen Schüleraustausch bewerben. Schließlich verwende ich nach Möglichkeit Realia um die Situation realitätsnaher wirken zu lassen.

Konversationen werden auch authentischer, wenn der Austausch wirklich notwendig ist. So ist es besser, wenn nicht alle alle Informationen bereits haben, sondern sie von den Gesprächspartnern benötigen. Gespräche sollten zudem ein Ziel haben: Mit allem Notwendigen für ein Klassenfrühstück ausgerüstet zu sein, einen gemeinsamen Termin zu finden … Auch das trägt dazu bei, dass wirklich Gespräche in der Fremdsprache geführt und nicht im Wechsel Sätze gesprochen werden.

Die nächste Herausforderung besteht darin, einen Mittelweg zwischen vorgegebenen sprachlichen Strukturen und einer freien Gesprächsgestaltung zu finden. In einem Rollenspiel „En la panadería“ sollte schon die Frage nach dem Preis und eine Angabe, wieviel man kaufen möchte vorkommen – wenn die einzige Variationsmöglichkeit aber ist, ob ich 5 Brötchen oder zwei Baguettes kaufe, wird das Gespräch schnell langweilig. Interessanter wird es schon, wenn ich ein unvorhergesehenes Problem einbaue (Ya no hay ensaimadas), so dass die Schüler*innen über Alternativen sprechen müssen.

Der selbst erstellte Sprachführer

Eine Unterrichtseinheit, in der viel Simulation nötig ist, ist das Thema „Ich als Tourist*in in einer spanischen oder lateinamerikansichen Stadt“ – Fragen nach dem Weg, nach Sehenswürdigkeiten, Zurechtfinden in der U-Bahn – und das alles mit den notwendigen sprachlichen Mitteln. In dem Lehrwerk, das wir an meiner Schule verwenden, kommt das in einer Einheit über Madrid vor. Ich möchte also, dass meine Klasse lernt, sich in Madrid zu bewegen, dort interessante Orte zu finden und verschiedene „touristische“ Gesprächssituationen zu bewältigen. Um die Stadt kennenzulernen, habe ich dank Internet viele mediale Möglichkeiten, von touristischen Informationen zu Blogs von madrileños über ihren Alltag. Als Abschluss der Unidad möchte ich, dass meine Klasse Gesprächssituationen einübt, die sie als Tourist*innen erleben könnten.

Die sprachlichen Mittel, die in der Lektion vorkommen, und auch eigene Ergänzungen sammeln wir dazu in einem Sprachführer. Wenn er gelungen ist, hilft er in allen Situationen weiter. Die Schüler*innen müssen also überlegen, was sie in den jeweiligen Situationen an Redemitteln brauchen werden. Da man im echten Leben eigentlich nie mit einer langen Wortliste unterwegs ist, und auch weil ein bisschen Basteln auch in der Mittelstufe noch Spaß macht, gestalten wir diesen Sprachführer als Buddy Book, also ein kleines Buch, das aus einem DinA4-Blatt gefaltet wird. Die Vorlage als Word-Dokument lässt sich sowohl handschriftlich als auch am Computer ausfüllen. Dieser Sprachführer wird im Verlauf der Einheit erstellt, und am Schluss um Themen, die bereits früher behandelt wurden und hier wieder gebraucht werden, wie z.B. Einkaufen und Pläne machen, ergänzt.

So sieht die Vorlage aus …
Foto eines Buddy Books mit Bild und Schriftzug von madrid.
… und so ein fertiges Buch.

Virtueller Madrid-Aufenthalt

Mit diesem Sprachführer begeben sich die Schüler*innen auf eine virtuelle Madrid-Reise, in Form eines Stationlernens: zu verschiedenen Stationen (In der Touristeninformationen, In der U-Bahn) müssen sie Erkundigungen einholen und sich über etwas einigen (Was möchten wir uns ansehen? Nehmen wir die U-Bahn oder gehen wir zu Fuß?). In den letzten Jahren habe ich die Stationen im Klassenzimmer aufgebaut und mit Stadtplänen, Event-Kalendern usw. gestaltet. Mit QR-Codes oder bereitgestellten Tablets können auch Online-Inhalte hinzugenommen werden. Die Schüler*innen verfolgen die Wegbeschreibung dann z.B. nicht mehr über einen Stadtplan, sondern in Google Street View.

In diesem Jahr habe ich für die unvorhersehbaren und dauernd wechselnden Bedingungen (Klasse mal da, mal nicht, mal teilweise) eine digitale Lösung gesucht und in Form von TaskCards (www.taskcards.de) gefunden. TaskCards stellt virtuelle Pinnwände zur Verfügung, in die ich die Aufgaben und Arbeitsanweisungen einfügen, die Seiten mit den Informationen verlinken und außerdem auch Videokonferenzen erstellen kann, in denen die Schüler in Gruppen zusammenarbeiten und ihre Dialoge umsetzen. So können alle von zu Hause aus zusammenarbeiten, aber auch gemischte Gruppen, teils zu Hause und teils in Präsenz sind möglich. So sieht meine TaskCard Pinnwand aus:

Bild einer Pinnwand in Taskcards mit Stationen zu einem Besuch in Madrid
Stationen mit Aufträgen und Videokonferenzen in TaskCards.

Durch einen Klick auf das Bild gelangt man direkt zur Pinnwand (da öffentlich ohne die Videokonferenzen), die gern auch übernommen werden darf.

Da ich auch über meine punktuellen Eindrücke bei Besuchen in dern Videokonferenzen hinaus hören möchte, was bei der Arbeit der Schüler*innen herausgekommen ist, gibt es eine gemeinsame Abschlussaufgabe, nämlich in einem Marktplatz von den vergangenen Tagen zu berichten. In der Unidad wurde das perfecto compuesto eingeführt, daher findet dieser Austausch noch vor der Rückreise am Flughafen statt.

Links:

Vorlage und Beschreibung der Methode Buddy Book: https://unterrichten.zum.de/wiki/Buddy_Book

Die Vorlage als Word-Dokument: https://hoytengoclase.files.wordpress.com/2021/04/guia-1.docx

TaskCards: Un paseo por Madrid: https://www.taskcards.de/#/dashboards/7b06afcf-6e7c-482a-b8c5-6933e489adab?token=7e7c6c6a-1bda-4d32-a091-6de33ea93117

Eine TaskCard Pinnwand mit Informationen zu TaskCards von @der_steh: https://www.taskcards.de/#/dashboards/4637e20c-2b1c-4df1-a8a7-0c77743f41ff