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La Movida madrileña und ein paar Überlegungen zum Hörverstehen

Vorüberlegungen: Thema und Kompetenz Hörverstehen

Nachdem wir uns in der Kursstufe mit dem nicht von allen geliebten Thema „Franquismo“ beschäftigt haben, wollte ich mit einem Einblick in die Movida madrileña, der (sub)kulturellen Explosion, die auf auf die bedrückende Atmosphäre der Franco-Ära folgte, abschließen. Herausfordernd bei historischen Themen finde ich, dass der Unterricht thematisch sehr dicht ist, weil die spanische Geschichte den meisten meiner Schüler*innen fremd ist, ich also schon in die Ereignisse einführen muss, zugleich aber auch möchte, dass sie eine Vorstellung von einem Leben in dieser Zeit entwickeln, also nicht auf einer oberflächlich-abstrakten Ebene verbleiben, und schließlich die sprachlichen Mittel, um all das zu verhandeln, in Teilen auch erst neu erarbeitet werden. Aus vielerlei Gründen blieb es bei der Movida bei einem kurzen Einblick, bei dem außerdem das Hörverstehen im Vordergrund stehen sollte.

Hör- und Leseverstehen waren in den letzten Jahren sehr von der Fokussierung auf geschlossene Aufgabenformate (falsch/richtig, Multiple Choice, Lücken) dominiert; dahinter stand der Gedanke, das Verstehen von der Produktion zu trennen, also zeigen zu können, dass man einen Text verstanden hat, auch wenn evtl. die sprachlichen Mittel fehlten, dies auszudrücken. Das ist aus der Perspektive des Testens sinnvoll, aber meines Erachtens nicht aus der des Lernens und auch nicht aus der einer authentischen Kommunikation. Aufgabenstellungen sollen eine (fast) immer vorhandene Hörabsicht ersetzen; eine Multiple-Choice-Frage strukturiert das Hören aber in einer Weise vor, wie es außerhalb der Schule nur in Ausnahmefällen geschieht. Wann höre ich einen Podcast oder sehe einen Film und achte nur darauf, welche von drei vorgegebenen Aussagen gemacht wird? Wer gibt mir immer drei Möglichkeiten und garantiert mir, dass eine davon richtig ist? So sinnvoll es ist, aktives Zuhören zu trainieren, sollte das meiner Meinung nach, um einer authentischen Situation nahezukommen, auf eine offene Aufnahme (eines Teils) des Gehörten auf der Basis von eigenen Erwartungen und später des bereits rezipierten Textes hinauslaufen. Und genau das übt man mit Multiple-Choice-Aufgaben nicht. Außerdem widerstrebt es mir einfach, die Beschäftigung mit einem Text so stark zu lenken. Ich nutze solche Aufgaben also nur wenn ich direkt auf Prüfungen vorbereite, aber sonst eher nicht.

Die Beschäftigung mit Texten (mündlich oder schriftlich) dient im Fremdsprachenunterricht zusätzlich immer auch als Input für sprachliche Mittel. Zusätlich zu denen, die gebraucht werden, um die Texte zu verstehen, die die Schüler*innen also vorher brauchen, stellen sie weiteres Vokabular und komplexe Wendungen zur Verfügung, die in Zukunft verwendet werden können. Eine Auseinandersetzung mit der Sprache ist allein auf Basis des Hörens aber eher schwierig. Daher setzte ich zur Nachbereitung von Hörtexten auch gern die Transkripte ein, die auch schon zur Überprüfung des Gehörten dienen können. Für die Erstellung von Transkripten zu Hörtexten gibt es inzwischen Software, aber einfacher ist es natürlich, wenn sie bereits da sind: zu vielen YouTube-Videos gibt es automatische Transkripte, die allerdings sprachlich nicht immer ganz korrekt sind, und erfreulicherweise ist auch bei einigen Podcasts ein Transkript angefügt.

Während das Lösen von geschlossenen Aufgaben zu Hörtexten für das Lernen weniger geeignet ist, ist es das Erstellen solcher Aufgaben aber durchaus: Auf inhaltlicher Ebene müssen die Schüler*innen relevante Informationen von eher unwichtigen unterscheiden, und bei Multiple-Choice-Aufgaben sich gut genug mit dem Thema auskennen, um plausible Distraktoren zu entwerfen. Auf sprachlicher Ebene müssen sie den Text für die Aufgabenstellung umformulieren und paraphrasieren und außerdem Vokabelangaben einplanen. Die Lösungen der Mitschüler*innen, die den Text mit ihren Aufgaben rezipieren, geben Aufschluss darüber, wie gut sie das jeweils gemacht haben.

Die Stunde

Aufgrund dieser Vorüberlegungen, und nachdem ich erfreulicherweise passende Hörtexte mit Transkription gefunden hatte, entstand die folgende Unterrichtsstunde:

Den Einstieg bildete der Trailer zu Pedro Almodóvars Debutfilm „Pepi, Luci, Bom y otras chicas del montón“ (auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=dqox5M8HHdw ) unter der Leitfrage: ¿Por qué la película escandalizó a la sociedad de entonces? Die Sequenz ist nur 56 Sekunden lang. Man sieht junge Frauen die sich in der Diskothek amüsieren, einen Transvestiten und auch die Vergewaltigung einer Frau durch einen älteren Mann. Für die Schüler*innen erschloss sich schnell, dass der Film dem traditionellen Frauenbild (ausgerichtet an Ehe und Mutterschaft) widerspricht, dass explizite Sexualität und Homosexualität einen Skandal darstellte und die gezeigte Gewalt als symbolisch für die Diktatur gesehen werden kann.

Vertiefte Informationen zum kulturellen Kontext, der Movida, sowie zu Pedro Almodóvar sollten sie zwei Podcasts entnehmen, arbeitsteilig, so dass jeweils ein Podcast von einer Gruppe gehört, und anschließend mithilfe des Transkripts für die andere Gruppe aufbereitet wurde. Die Ziele, neue Informationen aufzunehmen und das Hörverstehen zu trainieren wurden vorher besprochen, so dass auch klar war, dass das Transkript sinnvollerweise erst nach dem Hören und dem Austausch darüber hinzugezogen werden sollte. Anschließend wurden die Aufgaben jeweils einer anderen Gruppe zur Verfügung gestellt.

Aufgabenstellung
Aufgabenstellung (s. Link)

Abschließend wurde die Frage diskutiert, ob es für uns heute noch interessant ist, diesen Film zu sehen, und ob es Filme gibt, die das Lebensgefühl der Schülerinnen widerspiegeln.

Eine Anmerkung zur Auswahl der Texte: Ich arbeite hier mit Podcasts für Spanischlerner*innen, weil sie Hintergrundinformationen liefern, die Sendungen für ein spanischsprachiges Publikum einfach voraussetzen. An anderer Stelle nehme ich für die Kursstufe lieber authentische Aufnahmen wie Interviews, Kommentare o.ä.

Podcasts für Spanischlerner*innen auf unterschiedlichen Niveaus finden sich u.a. hier:

https://letsspeakspanish.com/es/blog/podcasts-para-aprender-espanol/#18

https://www.spanishpodcast.net/blog/