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Vom Korrekturmarathon zum formativen Feedback

Wahrscheinlich werden sich viele von uns an Corona als an die Zeit endlosen Korrigierens erinnern, oft noch spät am Abend und womöglich mit einem leisen Zweifel an der Sinnhaftigkeit. Lernen die Schüler*innen wirklich mehr, wenn wir alle ihre Arbeiten korrigieren? Andererseits scheint uns der Fernunterricht keine andere Möglichkeit zu lassen, oder? Schließlich können wir die Aufgaben nicht im Klassenraum gemeinsam besprechen. Hier sind ein paar Überlegungen und Anregungen zu Korrigieren und Feedback.

Warum Feedback?

Konstruktives Feedback gehört unbedingt dazu, damit Fernunterricht (und Unterricht überhaupt) gelingen kann: Aus Schüler*innensicht dient Feedback der Motivation, indem das Geleistete überhaupt erst einmal wahrgenommen und gewürdigt wird. Allein Aufgaben zu erledigen, ohne dass diese wirklich wahrgenommen werden, ist für die meisten Menschen demotivierend, und für Kinder und Jugendliche noch viel mehr. Feedback dient der Orientierung: Für alle, denn es beinhaltet auch eine Ergebnissicherung. Und individuell: Habe ich das richtig gemacht? Den Erwartungen entsprochen? Wo stehe ich jetzt und wie kann ich mich verbessern? Feedback ist in diesem Sinne auch eine Hilfestellung: Ich erfahre, wie ich weitermachen kann, wenn ich irgendwo „steckengeblieben“ bin.

Aus Lehrer*innensicht setzt Feedback immer voraus, dass ich zunächst intensiver mit den Arbeiten der Schüler*innen beschäftige. Das kann schnell zu einer ausufernden Korrektursitzung geraten, muss es aber nicht immer und sollte es vor allem auch nicht ausschließlich – ich möchte schließlich nicht nur sehen, was die Schüler*innen falsch gemacht haben, sondern ihre Leistung und ihren Lernstand einschätzen. Dazu brauche ich Kriterien, von denen „richtig oder falsch“ nur eins unter mehreren ist. Auf dieser Grundlage kann ich Feedback geben, das den Schüler*innen tatsächlich hilft.

Ein paar Feedbackregeln, die sich für mich bewährt haben:

Wie schon gesagt sollte Feedback kriteriengestützt sein. Wenn die Schüler*innen etwas erarbeiten, gebe ich Kriterien für ein gelungenes Ergebnis dazu, oder erarbeite sie mit ihnen gemeinsam. Eine Grundmatrix sieht dann z.B. so aus und wird auf die Klasse und die Aufgabe angepasst und konkretisiert:

Für eine Beschreibung des eigenen Zimmers im ersten Lernjahr sieht das dann z.B. so aus:

Für eine E-Mail kämen Textsortenmerkmale hinzu, für einen Textkommentar in der Oberstufe Konnektoren und Struktur und für ein Erklärvideo auch noch die Darstellung. Auf diese Weise kann ich zurückmelden, was gut gemacht wurde und wo noch Raum für Verbesserung ist.

Die Kriterien sollten bei Aufgabenstellung schon bekannt sein. Ich kann sie auch mit der Klasse gemeinsam erarbeiten und die Schüler*innen über eine Gewichtung entscheiden lassen. Wenn „buen vocabulario“ oder gar „vocabulario interesante“ einmal wichtiger ist als „Hay pocos errores.“ lohnt es sich plötzlich auch schwierigere Wörter und Ausdrücke in einem Text unterzubringen. Die Kriterien wirken dabei als „Feed Forward“ – also eine Leistungserwartung an der die Schüler*innen sich bei der Erarbeitung messen können.

Ich versuche möglichst formatives Feedback zu geben. Das bedeutet, dass die Schüler*innen ihre Texte noch einmal überarbeiten, bevor sie endgültig präsentiert werden, sie also die Möglichkeit haben, das Feedback einzuarbeiten. Ich kann z.B. die Zimmerbeschreibung lesen und dazu Feedback geben (Kriterien 1 und 2); bis zur nächsten gemeinsamen Stunde oder Videokonferenz werden sie überarbeitet und dann den Mitschüler*innen vorgestellt. Auf diese Weise lohnt sich eine Überarbeitung, da der Text danach nicht in der Schublade verschwindet, und jede*r hat die Chance, ein besseres Ergebnis zu zeigen. Außerdem muss ich mich dann nicht fragen, was eigentlich mit meiner Rückmeldung passiert.

Etwas anderes ist es, wenn ich Feedback gebe, um sicherzustellen, dass etwas von allen verstanden wurde – z.B. die Bildung des indefinido. Dann lasse ich mir eine kurze Übung schicken, anhand derer ich das sehen kann oder führe ein Quiz durch, und weiß anschließend, ob und wem ich noch etwas erklären muss.

Peer-Feedback lohnt sich vor allem, wenn es etabliert ist, wenn die Schüler*innen wissen, worauf sie achten sollen, und wenn es nicht überstrapaziert wird. Fragen wie: Kann ich verstehen was A schreibt? Finde ich es anschaulich? Könnte man noch etwas ergänzen? sind zielführender als die allgemeine Anweisung die Arbeit zu korrigieren. Wenn Fehler korrigiert werden sollen, dann mache ich genauere Vorgaben, damit die Schüler*innen gezielt vorgehen können: Sind die Adjektive angeglichen? Stimmen die subjuntivo-Formen? Eine Aufgabe beim Peer-Feedback lautet auch immer: „Apunta una expresión que te gusta.“ Auf diese Weise wird auch hier immer etwas Konkretes positiv zurückgemeldet, und die Schüler*innen können voneinander profitieren. Ich setzte es in jedem Fall gezielt ein, da auch Schüler*innen gar nicht so gern korrigieren.

Und wann mache ich das alles?

Kriteriengestütztes Feedback ist nicht nur lernwirksamer, sondern mithilfe von Rastern in den meisten Fällen auch schnell durchzuführen. Nur wenn ich sehe, dass jemand so gar nicht mit der Aufgabe zurecht kam oder auch etwas ganz Besonderes geleistet hat, frage ich nach, bzw. hebe das extra hervor.

Was ich nicht mache: Alle Übungen aller Schüler*innen durchzusehen. Damit meine ich Übungen, die der Festigung von Strukturen dienen, wie Lückentexte oder Umformübungen, Multiple-Choice Aufgaben zur Wissensüberprüfung u.ä. Wenn ich weiß, dass die Schüler*innen das Prinzip verstanden haben, gebe ich Ihnen Musterlösungen oder verwende Aufgaben aus learningapps.org, quizacademy.de, quizizz.com u.ä., bei denen die Überprüfung bereits integriert ist. Wenn ich kontrollieren möchte, ob die Schüler*innen damit arbeiten, kann ich in allen drei Apps Klassen anlegen und den Fortschritt überprüfen – tatsächlich mache ich das fast nie.

Außerdem:

Feedback wenn wir uns wiedersehen: Überhaupt kann ich viel Feedback in die nächste gemeinsame Sitzung verlegen, wenn die Arbeit zu Hause der Vorbereitung einer Stunde durch die Schüler*innen dient: ein Rollenspiel, einen Dialog, eine Bildbeschreibung werden zu Hause vorbereitet und in der Stunde durchgeführt. Dabei brauchen die Schüler*innen die Vergangenheitszeiten, die neuen Vokabeln, Strukturvokabular …

Feedback für Gruppenarbeiten: Kollaborative Dokumente gehören inzwischen zu meinen Lieblingstools: Ein gemeinsames Glossar zu Begriffen aus einem Video in einem ZUMPad, die Struktur für einen Textkommentar in flinga.fi – die ganze Klasse, oder auch einzelne Gruppen arbeiten hier zusammen und ich korrigiere das Ergebnis und mache Anmerkungen. Im Präsenzunterricht erarbeiten wir das Tafelbild ja auch gemeinsam. Und 5 Erklärvideos sind schneller und einfacher evaluiert als 25 Aufsätze. Auch für letztere muss mal Zeit sein, aber nicht immer.

Und natürlich Feedback, wenn nötig: Wenn ich merke, dass einzelne Schüler*innen mehr Rückmeldung brauchen, und natürlich immer, wenn ich gefragt werde.

Also, so viel Korrektur wie nötig, so viel Feedback wie möglich. Hier noch einmal als Übersicht:

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