Tatsächlich gibt es inzwischen so viele unterschiedliche Anwendungen, dass man für jede Unterrichtsidee neu auswählen kann und sicher ein Tool entdeckt, mit dem es noch besser geht. Das macht auch Spaß, ist aber im Alltag nicht immer machbar, und auch die Schüler*innen müssen sich in jedes Tool neu einarbeiten. Daher versuche ich aus allem, was ich bereits eingeführt habe, so viel wie möglich „herauszuholen“. Mit Flinga lässt sich besonders gut kooperativ arbeiten, und ein paar Ideen für den Spanischunterricht möchte ich hier vorstellen.
Sehr gut gefällt mir, dass Flinga auf kollaboratives Arbeiten ausgelegt ist, und zwar sowohl synchron, also in einer Videokonferenz oder auch in Präsenz, als auch asynchron zu Hause. Es ist leicht zu bedienen, und die überschaubare Auswahl unterschiedlicher Farben und Formen lässt eine übersichtliche Darstellung ohne viel Aufwand zu. Kein „Brimborium“ also, aber das heißt natürlich auch, dass die Gestaltungsmöglichkeiten eingeschränkt sind – es ist eher ein Instrument zum Arbeiten als für eine Präsentation.
Zur Verfügung stehen zwei Formate: ein „Whiteboard“, auf dem Notizen in unterschiedlichen Formen, aber auch Text und Bilder eingefügt werden können, und in dem auch die Möglichkeit besteht, einfache Zeichnungen anzufertigen, sowie eine „Wall“, an der die Beiträge entweder als Kästchen oder als Liste eingetragen werden, und auch mit Likes markiert werden können.
Ideen sammeln und strukturieren
Erstes Lernjahr: Mi mundo – einen Monolog oder Blogeintrag vorbereiten
Die Schüler*innen haben gelernt ihre Familien und Freunde vorzustellen, von ihren Hobbies zu erzählen und ihr Zimmer zu beschreiben. In der Abschlussaufgabe stellen sie sich in einem Blogbeitrag, einer Email an eine fiktive Brieffreundin oder in einem Podcast vor. Dazu sammeln sie einige Minuten lang in Gruppen auf dem Whiteboard das bekannte und weiteres Vokabular, strukturieren es und nutzen es als Basis für ihre Arbeiten. Das gemeinsame Brainstorming ist eine Wiederholung für alle und geht schneller von der Hand, als zu Hause allein das Vokabular zusammensuchen zu müssen. Zugleich haben alle eine breite Grundlage für die Aufgabe.



Kursstufe: Präsentationen zu «protestas juveniles»
In der Kursstufe bearbeiten die Schüler*innen häufig Themen, die exemplarisch für die Situation in Lateinamerika oder Spanien (oder in der Welt) sind, in Gruppenarbeiten mit selbstgewähltem Schwerpunkt. So ein Thema sind Jugendproteste: Ob in Chile Schüler und Studenten gegen das ungerechte Bildungssystem protestieren, in Spanien junge Menschen gegen die Verhaftung des Rappers Pablo Hásel oder überall auf der Welt Schüler*innen für das Klima demonstrieren – in jedem Fall geht es darum Motive und Formen der Proteste zu analysieren und in einen größeren Kontext zu setzen, sprachliche Mittel zu ihrer Beschreibung und Analyse zu erwerben und auch die eigene Position zu reflektieren.
Hier wurde das Flinga-Board genutzt um zu Hause leitfragengestützt im Internet zum Thema «protestas juveniles» zu recherchieren und Basisinformationen und Quellen im Board zu sammeln. So entstand schnell ein Überblick über Protestbewegungen in der spanischsprachigen Welt, bei dem die Schüler*innen durch die Ideen und Funde der Mitschüler*innen neue Anregungen erhielten. In der nächsten Stunde fanden sich Gruppen, die Präsentationen zu Unterthemen erarbeiteten. Im Anschluss an die Präsentationen wurden Gemeinsamkeiten und Unterschiede erarbeitet, und über die Berechtigung der Proteste und Protestformen diskutiert.

Torbellino de revisión
Im Gegensatz zum Brainstorming vor einer Aufgabe sammeln die Schüler*innen hier, was sie in der letzten Unidad gelernt haben. Sie können Themenfelder (pasatiempos), Grammatik (conjugar los verbos en presente) oder Kompetenzen (escribir un email) eintragen. Dabei sollen immer auch Beispiele angegeben werden. Auch hier folgt auf das Brainstorming das Strukturieren nach Themenfeldern – schon dabei wird das Gelernte wiederholt und vernetzt. Dann benennen die Schüler*innen einen Themenbereich, in dem sie sich am sichersten fühlen und für den sie – u.U. mit anderen – als Expert*innen zur Verfügung stehen, und einen, in dem sie sich verbessern möchten, und den sie sich daher von den Expert*innen erklären lassen. Dabei ist es durchaus möglich, dass sich die Rollen während der Erläuterung umdrehen, weil die nachfragende Person doch etwas besser weiß als die erklärende. Trotzdem sollten alle Schüler*innen die Möglichkeit haben, einen Aspekt zu erklären und sich darin so sicherer zu werden.
Mit Literatur arbeiten
Bei der Besprechung einer Lektüre ist es zentral, eigene Eindrücke mit denen der Mitschüler*innen zu vergleichen. Dies lässt sich kollaborativ umsetzen, indem die Schüler*innen gemeinsam einen Aspekt der Lektüre darstellen – direkt oder nach eigener Vorarbeit.
Eine Spannungskurve erstellen (hier zu dem Roman „Abdel“ von Enrique Paez):

Personenkonstellationen herausarbeiten und im Verlauf der Lektüre überarbeiten:
Personenkonstellationen sind ein einfacher Einstieg, um die Struktur eines Romans zu entschlüsseln. Da die Personen und ihre Beziehungen untereinander eine Entwicklung durchmachen, kann man sie im Verlauf der Lektüre immer wieder anpassen. Auch eine zweite Ebene, nämlich die ihrer Funktion im Roman, kann so dargestellt werden. Die unterschiedlichen Darstellungen mehrerer Gruppen werden verglichen und jeweils begründet.

Vergleichen und ein Ranking erstellen
Sprachliche Lösungen vergleichen
Hier sollten Schüler*innen gegen Ende des ersten Lernjahres von einem Tag in Mexiko aus einer anderen Perspektive erzählen. Die Schüler*innen geben ihre Lösungen in eigene Felder ein, die untereinander dargestellt werden. Die Eingabe ist anonym, d.h. auch bei Kritik ist nicht zu erkennen, wessen Lösung sie trifft.

Durch die übersichtliche Darstellung können die Schüler*innen die unterschiedlichen Lösungen einfach vergleichen. Zuerst werden Fehler korrigiert, und im Anschluss wird die Bewertung begründet, also überlegt, worin sich die besseren Lösungen von den anderen unterscheiden (ausführlichere und chronologische Darstellung, etc.). Weil so auch deutlich wird, dass es oft mehrere gelungene Lösungen gibt, setzte ich dieses Format auch bei Mediationsaufgaben gern ein.
Natürlich kann man nicht nur sprachliche Varianten vergleichen. Genauso gehe ich vor, um z.B. Lösungen für ein Problem zu vergleichen (¿Empollar o practicar para la competición del pádel? ¿Qué le aconsejas a Diego?), mögliche Enden für eine Erzählung zu finden, oder das ideale Geburtstagsgeschenk für eine Lehrbuchperson auszusuchen (Marta es deportista y le importa el medio ambiente. Por eso un bueno regalo para ella es …). Auf die „Likes“ folgen immer Begründung und Diskussion.
Weitere Ideen
- Texte rekonstruieren: Den Text auf mehrere Blöcke verteilen und auf dem Whiteboard wieder richtig anordnen lassen.
- Text und Bild zuordnen – das beste Bild zur Illustration eines Textbausteins wählen
- Placemat-Methode: Das Board mit der Zeichnen-Funktion vorstrukturieren und als Placemat nutzen
Ob ich dafür Flinga oder ein anderes Tool nutze hängt auch davon ab, wie viel Austausch unter den Schüler*innen entsteht: Für eine einfache Aufgabe mit eindeutigen Lösungen würde ich vielleicht eher eine Anwendung nehmen, bei der es eine automatische Rückmeldung gibt, aber wenn mehrere Varianten möglich sind, sind Diskussionen möglich und erwünscht. Um die Einsprachigkeit zu unterstützen, füge ich neben der Aufgabenstellung ein andamio ein.
Technisches
Flinga ist browserbasiert, d.h. man braucht keine App, sondern kann online auf die Boards zugreifen. Dabei muss nur die erstellende Person ein Konto haben, und kann weitere Personen per Sitzungscode, Link oder QR-Code (alles in der Menüleiste am linken Bildschirmrand) zur Mitarbeit einladen. In der kostenlosen Version hat man 5 Sitzungen zur Verfügung – wenn man mehr braucht, muss eine alte gelöscht werden.
Die Teilnehmerrechte können der Lerngruppe angepasst werden: Schüler*innen können alles, nur von der Klasse oder Gruppe, oder sogar nur von ihnen selbst Erstelltes verändern oder löschen.
Da Flinga zudem sehr datensparsam arbeitet und seit März dieses Jahres laut https://datenschutz-schule.info/tag/flinga/ auch auf den Einsatz von Google-Analytics verzichtet, ist das Arbeiten mit Schüler*innen datenschutzrechtlich weitgehend unproblematisch. Natürlich dürfen keinesfalls personenbezogenen Daten eingetragen werden.
Wie komme ich dahin? https://flinga.fi
2 Antworten auf „Kooperatives Arbeiten mit „Flinga““
Vielen Dank für deinen ausführlichen Beitrag! Ich hab mit Flinga immer wieder geliebäugelt aber konnte mir konkrete Nutzungsmöglichkeiten bislang nicht vorstellen. Jetzt werde ich mich sicherlich mal an die Nutzung trauen. LG Julia
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Freut mich, wenn der Beitrag dich auf Ideen gebracht hat. Ich nutze Flinga wirklich gern.
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