In einem handlungs- und kommunikationsorientierten Fremdsprachenunterricht steht die Anwendung der Sprache in einer möglichst authentischen Kommunikation im Vordergrund. Die Einschränkung „möglichst“ verweist dabei auf ein grundlegendes Problem des schulischen Unterrichts: Zwar gibt es „echte“ Sprechanlässe, wenn die Schüler*innen beispielsweise über sich selbst sprechen oder etwas präsentieren, aber oft müssen Situationen simuliert werden. Das gilt zum Beispiel für alle Situationen, die zwar Alltag sind, aber nur im entsprechenden Sprachraum in der Fremdsprache stattfinden: etwas einkaufen, Dialoge mit Gasteltern führen, uvm. Es ist sinnvoll zu lernen, wie diese Situationen sprachlich bewältigt werden können, und es ist auch nicht unrealistisch, dass Schüler*innen im nächsten Urlaub diese Kenntnisse anwenden können; im Unterricht müssen sie aber erst einmal künstlich nachgestellt werden. Dabei finde ich es immer wieder erstaunlich, wie bereitwillig sich die Schüler*innen auf die unterschiedlichsten Sprechanlässe einlassen.
Echte Gespräche führen
Diese Ansätze finde ich hilfreich, damit auch diese Gespräche mit Interesse geführt werden: Die Situation wird von vornherein als Rollenspiel konzipiert, in dem die Rollen entweder sehr schülernah oder sehr interessant sein müssen, damit die Schüler*innen sich damit identifizieren können und auch Interesse an der Situation entwickeln: Sie führen z.B. ein Gespräch zwischen Charakteren einer Sitcom über ein gemeinsames Abendessen, die Einrichtung der WG o.ä. Oder sie entwerfen ein Konzept für die Schulcafeteria oder bewerben sich mit Informationen über unsere Schule für einen Schüleraustausch bewerben. Schließlich verwende ich nach Möglichkeit Realia um die Situation realitätsnaher wirken zu lassen.
Konversationen werden auch authentischer, wenn der Austausch wirklich notwendig ist. So ist es besser, wenn nicht alle alle Informationen bereits haben, sondern sie von den Gesprächspartnern benötigen. Gespräche sollten zudem ein Ziel haben: Mit allem Notwendigen für ein Klassenfrühstück ausgerüstet zu sein, einen gemeinsamen Termin zu finden … Auch das trägt dazu bei, dass wirklich Gespräche in der Fremdsprache geführt und nicht im Wechsel Sätze gesprochen werden.
Die nächste Herausforderung besteht darin, einen Mittelweg zwischen vorgegebenen sprachlichen Strukturen und einer freien Gesprächsgestaltung zu finden. In einem Rollenspiel „En la panadería“ sollte schon die Frage nach dem Preis und eine Angabe, wieviel man kaufen möchte vorkommen – wenn die einzige Variationsmöglichkeit aber ist, ob ich 5 Brötchen oder zwei Baguettes kaufe, wird das Gespräch schnell langweilig. Interessanter wird es schon, wenn ich ein unvorhergesehenes Problem einbaue (Ya no hay ensaimadas), so dass die Schüler*innen über Alternativen sprechen müssen.
Der selbst erstellte Sprachführer
Eine Unterrichtseinheit, in der viel Simulation nötig ist, ist das Thema „Ich als Tourist*in in einer spanischen oder lateinamerikansichen Stadt“ – Fragen nach dem Weg, nach Sehenswürdigkeiten, Zurechtfinden in der U-Bahn – und das alles mit den notwendigen sprachlichen Mitteln. In dem Lehrwerk, das wir an meiner Schule verwenden, kommt das in einer Einheit über Madrid vor. Ich möchte also, dass meine Klasse lernt, sich in Madrid zu bewegen, dort interessante Orte zu finden und verschiedene „touristische“ Gesprächssituationen zu bewältigen. Um die Stadt kennenzulernen, habe ich dank Internet viele mediale Möglichkeiten, von touristischen Informationen zu Blogs von madrileños über ihren Alltag. Als Abschluss der Unidad möchte ich, dass meine Klasse Gesprächssituationen einübt, die sie als Tourist*innen erleben könnten.
Die sprachlichen Mittel, die in der Lektion vorkommen, und auch eigene Ergänzungen sammeln wir dazu in einem Sprachführer. Wenn er gelungen ist, hilft er in allen Situationen weiter. Die Schüler*innen müssen also überlegen, was sie in den jeweiligen Situationen an Redemitteln brauchen werden. Da man im echten Leben eigentlich nie mit einer langen Wortliste unterwegs ist, und auch weil ein bisschen Basteln auch in der Mittelstufe noch Spaß macht, gestalten wir diesen Sprachführer als Buddy Book, also ein kleines Buch, das aus einem DinA4-Blatt gefaltet wird. Die Vorlage als Word-Dokument lässt sich sowohl handschriftlich als auch am Computer ausfüllen. Dieser Sprachführer wird im Verlauf der Einheit erstellt, und am Schluss um Themen, die bereits früher behandelt wurden und hier wieder gebraucht werden, wie z.B. Einkaufen und Pläne machen, ergänzt.


Virtueller Madrid-Aufenthalt
Mit diesem Sprachführer begeben sich die Schüler*innen auf eine virtuelle Madrid-Reise, in Form eines Stationlernens: zu verschiedenen Stationen (In der Touristeninformationen, In der U-Bahn) müssen sie Erkundigungen einholen und sich über etwas einigen (Was möchten wir uns ansehen? Nehmen wir die U-Bahn oder gehen wir zu Fuß?). In den letzten Jahren habe ich die Stationen im Klassenzimmer aufgebaut und mit Stadtplänen, Event-Kalendern usw. gestaltet. Mit QR-Codes oder bereitgestellten Tablets können auch Online-Inhalte hinzugenommen werden. Die Schüler*innen verfolgen die Wegbeschreibung dann z.B. nicht mehr über einen Stadtplan, sondern in Google Street View.
In diesem Jahr habe ich für die unvorhersehbaren und dauernd wechselnden Bedingungen (Klasse mal da, mal nicht, mal teilweise) eine digitale Lösung gesucht und in Form von TaskCards (www.taskcards.de) gefunden. TaskCards stellt virtuelle Pinnwände zur Verfügung, in die ich die Aufgaben und Arbeitsanweisungen einfügen, die Seiten mit den Informationen verlinken und außerdem auch Videokonferenzen erstellen kann, in denen die Schüler in Gruppen zusammenarbeiten und ihre Dialoge umsetzen. So können alle von zu Hause aus zusammenarbeiten, aber auch gemischte Gruppen, teils zu Hause und teils in Präsenz sind möglich. So sieht meine TaskCard Pinnwand aus:

Durch einen Klick auf das Bild gelangt man direkt zur Pinnwand (da öffentlich ohne die Videokonferenzen), die gern auch übernommen werden darf.
Da ich auch über meine punktuellen Eindrücke bei Besuchen in dern Videokonferenzen hinaus hören möchte, was bei der Arbeit der Schüler*innen herausgekommen ist, gibt es eine gemeinsame Abschlussaufgabe, nämlich in einem Marktplatz von den vergangenen Tagen zu berichten. In der Unidad wurde das perfecto compuesto eingeführt, daher findet dieser Austausch noch vor der Rückreise am Flughafen statt.
Links:
Vorlage und Beschreibung der Methode Buddy Book: https://unterrichten.zum.de/wiki/Buddy_Book
Die Vorlage als Word-Dokument: https://hoytengoclase.files.wordpress.com/2021/04/guia-1.docx
TaskCards: Un paseo por Madrid: https://www.taskcards.de/#/dashboards/7b06afcf-6e7c-482a-b8c5-6933e489adab?token=7e7c6c6a-1bda-4d32-a091-6de33ea93117
Eine TaskCard Pinnwand mit Informationen zu TaskCards von @der_steh: https://www.taskcards.de/#/dashboards/4637e20c-2b1c-4df1-a8a7-0c77743f41ff