Die ersten Stunden in einer neuen Fremdsprache haben immer eine ganz besondere Bedeutung: sie setzen den „Ton“ für die kommenden Monate. Auch wenn nebenher noch Organisatorisches geklärt werden muss, liegt der Fokus daher vor allem auf der Motivation und der ersten Kommunikation; es wird darauf Wert gelegt, dass die Schüler*innen gleich zu Beginn Neues erlernen und auch ihr jeweiliges Vorwissen einbringen können.
Ab der zweiten Fremdsprache werden die Lerngruppen oft aus Schüler*innen verschiedener Klassen zusammengestellt. Ein gutes Gruppenklima ist Voraussetzung dafür ist, dass die Schüler*innen sich trauen, offen und zunehmend frei zu sprechen. Daher lohnt es sich, gleich zu Beginn auf ein gegenseitiges Kennenlernen und einen vertrauensvollen Umgang miteinander zu achten, um so eine Kooperation über Klassen- und Cliquengrenzen anzubahnen. Das funktioniert meiner Erfahrung nach am besten über Kommunikation.
Spanisch ist für viele Schüler*innen der weiterführenden Schulen bereits die dritte schulische Fremdsprache. Dies bedeutet, dass sie bereits ein umfangreiches Sprach- und Sprachlernwissen besitzen, das ihnen beim Erlernen des Spanischen von Nutzen sein kann. Auch sind sie es bereits gewohnt, kommunikativ zu arbeiten. Ansätze, die dieses Vorwissen aufgreifen, nehmen oft auf dem Weg der Mehrsprachigkeitsdidaktik die rezeptive Lesekompetenz in den Blick. Für die Schüler*innen ist es meist motivierend, sich gleich zu Beginn ein Plakat, Hinweisschilder oder auch einen einfachen Text in der Fremdsprache selbst zu erschließen.
Hier möchte ich zeigen, dass über das Leseverstehen hinaus eine anspruchsvollere produktive Sprachhandlung, nämlich das Schreiben eines Briefs, durchaus bereits in der ersten Spanischstunde möglich ist. Die Schüler*innen erwerben zunächst erste Kenntnisse des Spanischen, arbeiten kooperativ und setzen dabei ihr Vorwissen sowie Erschließungsstrategien ein; außerdem arbeiten sie kompetenzorientiert auf eine authentische Kommunikation hin und erleben, dass sie bereits ein höheres Sprachlernniveau erreicht haben, und schon in der ersten Stunde sinnvoll miteinander kommunizieren und sich so auch besser kennenlernen können.
Lernen am Beispiel
Eine Voraussetzung der Sprachproduktion ist zunächst ein gewisser Input aus dem die Schüler*innen das sprachliche Material schöpfen können. In diesem Fall ist es ein Brief des fiktiven spanischen Jugendlichen Roberto, der zunächst gelesen und dann in mehreren Schritten bearbeitet wird. Zuerst werden „Verstehensinseln“ gebildet und der Inhalt soweit wie möglich aus bekannten Sprachen, sowie aus dem Kontext abgeleitet. Die Partnerarbeit im zweiten Schritt hilft dabei, kooperativ Hypothesen zu überprüfen und Lücken zu schließen. Lernschnellere Schüler*innen können schon damit beginnen, erste Grammatikregeln herzuleiten (s. Arbeitsblatt). Noch offene Fragen werden in der anschließenden Besprechung beantwortet. Zusätzlich lernen die Schüler*innen erste Konventionen des Schreibens (Anrede und Verabschiedung) kennen.

Verfassen der Briefe
Brief und Arbeitsblatt werden den Schüler*innenn direkt zugeteilt, ich schreibe ihren Namen in die Anrede, und auch den Namen der Person, an die sie selbst einen Brief schreiben sollen. Dabei bilde ich klassenübergreifende Paare. Auf der Grundlage der Strukturen und des Vokabulars des ersten Briefs verfassen sie nun ihre eigenen, in welchem sie sich selbst vorstellen. Die vorgegebenen Strukturen ermöglichen ihnen bereits eine größere Spannbreite an Ausdrucksmöglichkeiten: Name und Wohnort, Geschwister, Haustiere, Hobbies, Fernsehserien, Pläne (quiero …), Vorlieben und Abneigungen (me gusta / no me gusta). Die Verbformen werden – abgesehen von der Endung –o – nicht weiter analysiert, sondern genauso übernommen, so dass auch Verben mit Diphtongierung oder unregelmäßigen Konjugationen kein Problem darstellen. Unterstützung wird sicherlich bei der Nennung weiterer Hobbies und Haustiere benötigt werden. Hier kann entweder eine Liste zur Auswahl vorgegeben, die Arbeit mit dem Wörterbuch begonnen oder durch Nachfragen bei mir ausgeholfen werden. Während die beiden ersten Möglichkeiten das selbständige Arbeiten unterstützen, besteht bei der zweiten und dritten Variante die Möglichkeit, die erfragten Ausdrücke an der Tafel zu sammeln und so den Grundstein für eine klassenspezifische Vokabelsammlung zu legen. Die Struktur „Quiero aprender a __________ (mejor __________)“ ist herausfordender und kann im Sinne der Binnendifferenzierung von stärkeren Schüler*innenn verwendet werden.
Weiterarbeit
Die Briefe werden „zugestellt“, d.h. in einen Umschlag gesteckt und übergeben oder auch einfach ausgetauscht. Die Schüler*innen lesen ihren Brief. Hieran können sich unterschiedliche Formen der Weiterarbeit anschließen. Wenn noch Zeit ist, treffen sich die Paare, die sich gegenseitig geschrieben haben, zu einem kurzen Gespräch und unterhalten sich (auf Deutsch) weiter über ihre Hobbies. Dies dient dann vor allem dem gegenseitigen Kennenlernen. In der nächsten Stunde ist eine Weiterarbeit mit den Briefen möglich: 1) Die Schüler*innen wiederholen die Strukturen indem sie sich, jetzt mündlich, selbst noch einmal anderen vorstellen. 2) Die dritte Person wird eingeführt: se llama, tiene, le gusta, die Paare stellen sich dann gegenseitig einem anderen Paar vor. Auf diese Weise werden auch die ersten Stunden der Arbeit mit dem Lehrbuch vorentlastet.