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El comecocos: Himmel und Hölle für Verbformen uvm.

Ich bastel eigentlich nicht sehr gern. Aber dafür bin ich ein Fan von Spielen im Unterricht, unter anderem, wenn Auswendiglernen gefragt ist.

Ich möchte die Unterrichtszeit vor allem für die Kommunikation auf Spanisch nutzen, aber ein paar Wörter, Formen und Strukturen sind dazu einfach unerlässlich, ansonsten kommt nie ein flüssiges Gespräch in Gang, ist das Schreiben von Texten wahnsinnig mühsam und fehlt auch die Grundlage zum Verstehen. Auswendiglernen ergänzt die kommunikativen Übungen. Es allein in die Hausaufgabe zu verlagern finde ich aber nicht günstig: Es macht Hausaufgaben nicht unbedingt attraktiver, den unkreativsten Teil des Fremdsprachenlernens mit der Freizeit konkurrieren zu lassen, und so werden sie gelegentlich sehr unterschiedlich bis gar nicht erledigt. Also plane ich auch im Unterricht Zeitfenster zum Üben ein, und versuche, sie möglichst effizient zu gestalten. Spiele erhöhen die Motivation, etwas öfter zu wiederholen und haben daher einen festen Platz in diesen Phasen. Aus einer Übephase kann so auch mal eine kurze Verschnaufpause, oder eine Aufwärmphase werden.

Preparados

Um meinen Bastelaufwand möglichst gering zu halten, arbeite ich mit anpassbaren Vorlagen. Die Vorlage für das Spiel „Himmel und Hölle” ist ein Seriendokument, das mit der beigefügten Excel-Tabelle verknüpft ist. Ich trage die Impulse (z. B. Infinitive) und die zu übenden Verbpatterns an der entsprechenden Stelle in die Tabelle ein, und sie werden dann automatisch an der richtigen Stelle in die Vorlage übernommen. Die Bilder habe ich für meine Lerngruppe ausgewählt (ungeliebte Vokabeln), sie können einfach ausgetauscht werden.

Falls ihr noch nie mit einem Seriendokument gearbeitet habt: Speichert beide Dateien (Vorlage und Tabelle) auf dem Computer ab. Die Vorlage wird geöffnet. In der Befehlszeile öffnet man den Reiter „Sendungen”. Unter „Seriendruck starten” gibt es die Funktion „Seriendruck-Assistent mit Schritt-für-Schritt-Anweisungen”, die auf der rechten Seite ein weiteres Menü öffnet. Hier klickt man sich durch die Schritte unten rechts. Bei Schritt 3 wählt ihr die abgespeicherte Excel-Tabelle aus (Vorhandene Liste verwenden -> Durchsuchen), bestätigt sie und könnt dann auswählen, welche Zeilen (also welche Variante des Spiels) gedruckt werden sollen. In Schritt 6 kann das fertige Dokument in einer Vorschau angesehen und bei Bedarf verändert werden (z. B. wenn die Antworten zu groß für die Textfelder sind). Anschließend beendet man den Seriendruck. Nun sollten anstelle der Seriendruckfelder (Impuls 1, Impuls 2, …) der gewünschte Text stehen.

Listos

Das Spiel wird wie folgt erstellt: Schneide den weißen Streifen so ab, dass ein Quadrat übrig bleibt. Falte es dann einmal längs und einmal quer, aber öffne es beide Male wieder. Nun legst du es mit der bedruckten Seite nach unten und faltest alle vier Ecken zur Mitte. Drehe es um und falte wieder alle vier Ecken zur Mitte. Wenn du es nun noch einmal umdrehst, sind die vier Bilder oben zu sehen. Nun faltest du es erneut einmal längs und einmal quer und öffnest es wieder. Unter den Bildern befinden sich vier Taschen für die Finger. Damit kannst du das Spiel in zwei Richtungen öffnen und wieder schließen. Die Schüler:innen kennen das Spiel wahrscheinlich und haben es schneller gefaltet, als du diesen Abschnitt lesen kannst. Trotzdem noch einmal die Anleitung auf Spanisch:

El comecocos: Instrucciones para confeccionarlo

  1. Corta la tira blanca para que quede un cuadrado.
  2. Dóblalo una vez a lo largo y otra a lo ancho, y vuelve a desdoblarlo.
  3. Ahora colócalo con la parte impresa hacia abajo y dobla las cuatro esquinas hacia el centro.
  4. Dale la vuelta y vuelve a doblar las cuatro esquinas hacia el centro.
  5. Si ahora le das la vuelta otra vez, se verán las cuatro imágenes.
  6. Ahora vuelve a doblarlo una vez a lo largo y otra a lo ancho y vuelve a desdoblarlo. Debajo de las imágenes hay cuatro bolsillos para los dedos.
  7. De este modo, se puede abrir y cerrar el juego en dos direcciones.

¡Ya!

Spieler:in A öffnet das Spiel abwechselnd in beide Richtungen, z.B. anhand des Satzes „Comecocos es genial.“ Spieler:in B nennt jetzt eines der Bilder und A daraufhin das Verb, das innen zu sehen ist. B konjugiert und A kann das Spiel aufklappen um zu überprüfen. Bis auf den Satz wissen die Schüler:innen das alles, aber trotzdem hier die Anleitung auf Spanisch:

El comecocos: Intsrucciones para jugar

  1. A abre el juego alternativamente en ambas direcciones, por ejemplo, con la frase «Comecocos es genial».
  2. B nombra ahora una de las imágenes.
  3. A dice el verbo que se ve en el interior.
  4. B conjuga y A puede abrir el juego para comprobar si es correcto.

Das Spiel kommt in den Umschlag mit Mini-Übungen, die die Schüler:innen immer wieder einmal hervorholen, um etwas vor längerer Zeit Gelerntes zu wiederholen.

Hier sind die Vorlage und die verbundene Tabelle für das Spiel:

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Mein schulisches Motto für 2024: Mehr Spaß!

Viele spannende Beiträge stehen bereits in der Blogparade „Mein schulisches Motto für 2024“, und ich habe ein paar Blogs wiederentdeckt, die ich immer mal wieder gelesen, die ich aber im letzten Jahr auch ein bisschen aus den Augen verloren hatte. Eine tolle Idee, und ein gutes Thema, zu dem ich auch ein paar Gedanken habe.

Seit ein paar Jahren nehme ich mir zu Jahresbeginn immer ein neues Thema vor, das ich im Lauf der nächsten 12 Monate bearbeiten möchte. Diese Themen waren nicht immer ganz neu, es ging mir eher um eine Fokusverschiebung. Ich habe mich darauf konzentriert, möglichst viele neue Zugänge zu finden und bei jeder Gelegenheit etwas auszuprobieren. 2019 waren es die digitalen Tools, die ich in meiner damals noch völlig analogen Schule, ausgerüstet mit einem mobilen Access-Point, in alle Klassenzimmer getragen habe – nicht ahnend, wie froh ich im nächsten Jahr über meine Erfahrungen sein würde. Als ich mir Individualisierung als Thema gesetzt hatte, habe ich bergeweise Differenzierungsmaterial erstellt und meistens wieder verworfen – ein aufwändiger Weg, um festzustellen, dass ich andere (und weniger materialintensive) Differenzierungsansätze für sinnvoller halte. Ein Spanischkurs, in dem niemand sprechen wollte, hat mich dazu gebracht, alle möglichen Formen der Sprechförderung zu suchen und auszutesten. Dieser Kurs hat meine Bemühungen leider weiterhin vor allem stumm honoriert (sie wussten es aber zu schätzen!) – aber der nächste Kurs wurde dafür umso redseliger.

Auch dieses Jahr gäbe es wieder viele Themen zur Auswahl, aber ich stelle gerade fest, dass ich im Moment am liebsten an das Jahr 2012 zurückdenke. Man wird sich erinnern: 2012 endete der Maya-Kalender, was den einen oder die andere dazu verleitete, den Weltuntergang zu erwarten. Ich habe einen leichten Hang zu schwarzem Humor, daher war es für mich das Jahr der Maya-Kalender-Weltuntergangs-Witze. Weil eines meiner Themen in meiner damaligen Spanischklasse die altamerikanischen Kulturen waren, habe ich jede Woche einen neuen Maya-Kalender-Witz in den Unterricht mitgebracht, und auch, wenn sie nicht alle wirklich lustig waren – also, einige schon, die finde ich heute noch super! –  haben sich alle ein bisschen darauf gefreut. Und daher habe ich nach den Mayas einfach damit weitergemacht, jede Woche einen Witz in den Unterricht mitzubringen.

Ich glaube, mein Arbeitsmotto für das Jahr 2024 wird „Spaß“ lauten. Damit meine ich nicht, dass mir die Schule im Augenblick keinen Spaß macht, im Gegenteil, und ich hoffe auch, dass mein Unterricht zur Zeitnicht ganz humorbefreit ist. Ich möchte aber dem Leichten, Zweckfreien und Lustigen gezielt wieder etwas mehr Raum geben. Wir besprechen im Unterricht viele ernste Themen, wie Globalisierung und Diktaturen, und auch die Vorbereitung des Abiturs wird ihren Raum brauchen. Die Themen sind wichtig und auch spannend, und die Schüler*innen sind interessiert. Aber allein dafür hat wohl niemand das Fach Spanisch gewählt. Außerdem hat diese Woche ein neuer Kurs Referendar*innen ihre Ausbildung angefangen; sie beginnen eine spannende Reise mit vielen Erfahrungen, und ich hoffe, dass auch sie erleben, dass das Lehrer*innen-Sein nicht nur erfüllend (und, ja klar, anstrengend) sein kann, sondern auch manchmal richtig lustig, und das nicht nur zwischen den Stunden. Ich brauche ein bisschen Leichtigkeit, schon damit mir nicht unterwegs die Puste ausgeht, und das geht bestimmt nicht nur mir so. Also, das ist mein Plan: verstärkt nach den Gelegenheiten zum Lachen zwischendurch suchen: das spaßige Kurzvideo mitbringen, auch wenn es mal nicht hundertprozentig zum Thema passt, in der 6.Stunde lieber einen schrägen Energizer (das kotzende Känguru!) statt Ermahnungen zücken, uvm. Ich bin gespannt. 😉

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Warum wir in der Schule mehr und nicht weniger Fremdsprachenunterricht brauchen

Brauchen wir noch Fremdsprachen in der Schule? Ja, und zwar mehr davon! Fremdsprachen sind nützlicher als Steuererklärungen, sie sind heutzutage nicht weniger wichtig als früher und genauso notwendig wie digitale Mündigkeit, jede*r kann Fremdsprachen lernen, sie bereichern uns und machen Spaß! Zugegeben: Am Fremdsprachenunterricht lässt sich das ein oder andere verbessern, ebenso an der Festlegung auf eine vorgegebene Sprachfolge.

Die Argumente, die gegen Fremdsprachen an der Schule ins Feld geführt werden, lassen sich den Bereichen „Nützlichkeit“, „Ressourcenknappheit“ und „Motivation“ zuordnen.

  • Nützlichkeit: Wozu brauchen wir Französisch, Spanisch und Chinesisch, wenn die meisten Menschen doch Englisch sprechen, und wir darüber hinaus jetzt, oder spätestens übermorgen, KI-Tools haben (werden), die direkt für uns übersetzen und sogar sprechen, so dass unter Umständen kaum zu bemerken ist, „ob ich selbst oder mein Tool spreche“?
  • Ressourcenknappheit: Kann die Zeit, die bisher dem Fremdsprachenlernen gewidmet ist, für etwas anderes, zum Beispiel, wie von Christian Spannagel vorgeschlagen*, für den (wie ich ebenfalls finde) dringend benötigten Informatikunterricht nicht besser genutzt werden?
  • Motivation: Warum überhaupt Fremdsprachenunterricht, vom dem doch viele Menschen berichten, dass sie ihn dröge fanden, sich in der Schule gelangweilt, und die Fremdsprachen dann unter Umständen viel schneller im jeweiligen Land gelernt haben?

Ich beginne mit der Nützlichkeit: Diese wird manchmal oberflächlich definiert als die Anforderung etwas zu lernen, das ich direkt umsetzen kann, ungefähr so, wie ich ein YouTube-Tutorial nutze, um meine Strandmuschel wieder zusammenzufalten. Ich nenne es die „Schulfach Steuererklärungs – Diskussion“. Das ist allerdings leider völlig sinnlos, denn nur weil ich irgendwann in meinem Leben etwas tun muss, nutzt es mir nur selten, das zu einem ganz anderen Zeitpunkt einmal gelernt zu haben. Handlungswissen ohne eine Anwendungsmoment ist nicht nützlich. Es ist daher zum Glück auch höchstens zu einem äußerst geringen Teil Aufgabe der Schule. Das Nützliche, das junge Menschen in der Schule lernen sollen, ist: das Verständnis der Welt, wie sie ist, sowie die Kompetenz, sich selbst darin zu realisieren, und sie als Teil der Gesellschaft mitzugestalten, also mündig zu sein. Natürlich müssen wir immer darüber diskutieren, was man denn dazu genau können und wissen muss.  

Informatik oder Fremdsprachenunterricht? Das ist für mich keine sinnvolle Frage. Unsere Welt ist digital, wir brauchen dringend digitale Mündigkeit, also muss sie auch in der Schule vorkommen, vielleicht auch in einem eigenen Fach. Unsere Welt ist aber auch hochkomplex und vielfältig, sie ist vielleicht das „globale Dorf“ geworden, aber in diesem Dorf werden sehr viele unterschiedliche Sprachen gesprochen, und das führt zu Konflikten, wenn wir nicht die Sprache der anderen sprechen. Wir dürfen es uns nicht zu leicht machen, indem wir davon ausgehen, es gäbe eine neutrale Sprache, in der diese vielen Positionen zum Ausdruck gebracht werden können. Die Lebenswirklichkeiten der Menschen, unser Weltverständnis und unsere Haltungen, unsere Menschlichkeit finden in ihrer Vielfältigkeit Ausdruck in unseren vielen Sprachen. Eine zentrale Kompetenz, die wir in Zukunft mehr denn ja brauchen werden, ist die interkulturelle Kompetenz: die Bereitschaft einander zu verstehen, die Bedingtheit unserer Haltungen und Handlungen zu begreifen – aber nicht nur als abstrakte Fähigkeit, sondern konkret.

Es reicht nicht zu wissen, dass Menschen durch ihr Lebensumfeld und ihre Geschichte geprägt sind, ich muss mich für die konkrete Geschichte interessieren, um etwas zu verstehen. Und es reicht nicht, über etwas zu lesen, ich muss mit Menschen in ihrer Sprache sprechen können und sie in meiner, wir müssen uns austauschen können. Dabei ist eine grammatikalisch falsche Frage, eine Erklärung, bei der die Bedeutung von Wörtern immer wieder erfragt und erklärt werden muss, unter Umständen hilfreicher als eine sprachlich einwandfreie KI-Übersetzung, denn letztere übersetzt nicht mit, was ich wirklich meine. Freundschaften erwachsen eher aus dem Bemühen, das „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!“ in einer fremden Sprache zu sagen, als aus der Übersetzung des Google-Translators. Diese digitalen Hilfsmittel sind nützlich und nehmen uns viele Alltagshürden, aber sie reichen auf keinen Fall aus. Interkulturelle Kompetenz, definiert als die Erkenntnis, dass Verhalten bedingt ist und ich mich auf den anderen einlassen muss, kann ich bereits im Englischunterricht erlernen, aber das ist nicht genug: Wir müssen mit mehr Menschen in ihrer Sprache sprechen, nicht mit weniger. Natürlich können nicht alle Menschen alle Sprachen sprechen, aber viele Menschen, die mehrere Sprachen sprechen, wären wirklich wichtig.

Motivation: Wenn Menschen sich kritisch zum Fremdsprachenunterricht äußern, fallen oft Begriffe wie „stumpfes Pauken von Vokabeln“, „quälende Grammatikstunden“, „stundenlanges Ausfüllen von Lückentexten“. Nichtsdestotrotz wollen offenbar viele Menschen Fremdsprachen können, und nehmen auch die Mühen des Lernens auf sich, wie die Nutzerzahlen von Apps wie Duolingo und Babbel zeigen. Auch in der Schule sind die dritten Fremdsprachen Wahlfächer, die ebenso häufig gewählt werden, wie die Alternativen. Die Vermutung liegt nahe, dass Fremdsprachenunterricht nicht deshalb kritisiert wird, weil man die Fremdsprachen nicht lernen will, sondern weil er als mühsam und unergiebig empfunden wird. Aber ist das eine universelle Erfahrung? Mir ging es genauso – im Biologie- und Chemieunterricht. Ich konnte nichts damit anfangen, habe mich schwergetan, Schemata und Formeln zu verstehen und für mich einen Sinn darin zu entdecken, und vermutlich hat man mir das angemerkt. (Hier eine lang überfällige Entschuldigung an Frau Roreger und Herrn Jakobi!) Ich würde trotzdem nicht den Schluss daraus ziehen, dass es nicht sinnvoll war, diese Dinge zu verstehen, und ich habe dort, trotz meiner mangelnden Motivation, genug gelernt um beispielsweise der Diskussion um Genmanipulation in der Landwirtschaft folgen zu können, weil ich genug weiss, um mich informieren zu können.

Das alles bedeutet allerdings auch nicht, dass der Fremdsprachenunterricht nicht weiterentwickelt werden sollte. Ganz kann man das Lernen von Vokabeln sicher nicht abschaffen, und alle diejenigen, die es stört, nur zu radebrechten (ich nehme an, dann doch die meisten), müssen auch Grammatik lernen. Es ist eine Binsenweisheit, dass ich immer etwas lernen muss, um es auch zu können. Das gilt auch für die Musik (Stumpfes Notenwissen!), den Sport (Ausdauertraining!) und die Informatik (ProgrammierSPRACHEN!). Der schulische Fremdsprachenunterricht ist aber längst darüber hinaus, die sprachlichen Mittel zum Selbstzweck zu machen; sie haben dienende Funktion, dienen nämlich der Kommunikation, dem Austausch (direkt oder indirekt), dem Ausdruck des Selbst. Und in diese Richtung sollte es weitergehen: Die Schüler*innen brauchen weniger vollumfängliches Wissen über die spanische Grammatik, wie beispielsweise alle Anwendungsfälle des subjuntivo, als vielmehr die Fähigkeit, das, was sie sagen wollen, differenziert zu äußern, wozu unter Umständen einige häufige Konstruktionen mit besagtem subjuntivo nützlich sind. Ebenso brauchen sie ein breites Vokabular, um zu verstehen, aber auch ein individuelles um sich auszudrücken. Eine Sprache „kann“ man auch nicht erst, wenn man spricht wie ein*e Muttersprachler*in, sondern man kann sie mehr oder weniger, je nachdem wie gut man sich in ihr bewegen kann. Es geht also um Kommunikation, nicht um Fehler, was definitiv auch motivierender ist.

Wie sieht es mit dem schulischen Fremdsprachenkanon aus? Auch der ist nicht so willkürlich, wie er vielleicht von einer genervten Achtklässlerin erlebt wird: Die Schüler*innen lernen mit Englisch die weltweit verbreitete lingua franca, mit Französisch die Sprache des Nachbarlandes, zu dem ein ebenso freundschaftliches wie auch friedliches Verhältnis erst für uns selbstverständlich geworden ist, was es für frühere Generationen nicht war. Spanisch ist eine weitere Weltsprache, die viele Begegnungen eröffnet. Aber heutzutage ließen sich ähnlich gute Argumente für Polnisch, Türkisch, Arabisch, Chinesisch und viele andere Sprachen finden. Vielleicht muss man den Kanon öffnen, mehr unterschiedliche Sprachen vermitteln, die dann nicht alle auf demselben Niveau gelernt werden müssen, aber den Horizont erweitern und mehr Austausch ermöglichen. Man kann diskutieren, welche Sprachen möglichst von allen Schüler*innen gelernt werden sollen, und bis zu welchem Niveau, aber man sollte Möglichkeiten eröffnen, auch andere Sprachen einzubeziehen, Sprachkenntnisse, die außerhalb der Schule erworben wurden, zu vertiefen und durch Tests nachzuweisen, so dass sie anerkannt werden und vor allem die Möglichkeiten zur Sprachbegegnung und zum Austausch, die es vor Ort gibt, nutzen. Aber nicht als Hobby, sondern als Teil der schulischen Ausbildung.

Mein letztes Argument: Sprachen zu lernen macht Spaß. Menschen konstruieren Kunstsprachen wie Esperanto oder erfinden ganz ohne Not Sprachen wie Elbisch oder Klingonisch, andere erlernen sie. Freiwillig! Fremdsprachen sind, wie Lesen, eine Kulturtechnik, die wir einerseits brauchen, die uns andererseits aber auch einfach Freude bereiten kann. Warum sollte wir darauf verzichten?

* Christian Spannagel: Beitrag auf LinkedIn https://de.linkedin.com/posts/christian-spannagel-31b7b4a1_%3F%3F%3F%3F%3F%3F%3F%3F%3F%3F%3F%3F%3F-%3F%3F%3F%3F%3F-%3F-activity-7126197949025406976-RBoN mit einer spannenden Pro-Kontra-Diskussion in den Kommentaren.

Beitragsbild: Día Internacional de la Lengua Materina, Administración Nacional de la Seguridad Social, https://www.flickr.com/photos/ansesgob/15963428813/, CC By-SA https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/

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Proyecto de lectura

Lesen – mehr ist mehr

Für meinen neuen Oberstufenkurs habe ich ein oft durchgeführtes Projekt überarbeitet: den Lesekoffer. Es ist eine bekannte Methode um extensives Lesen, selbständige Lektüre und Lesemotivation zu fördern: Die Schüler*innen wählen eine Lektüre aus, die sie sich selbständig über einen längeren Zeitraum erarbeiten und dann präsentieren. Damit mit sie mit dem Lesen und der Erarbeitung der Präsentation nicht ganz allein sind, gebe ich aber auch im Unterricht Raum dafür. Wir beginnen gemeinsam mit der Lektüre und besprechen spezielle Lesestrategien. Es gibt einzelne Lese- und Sprechstunden, in denen die Schüler*innen und mit mir und untereinander ihren Lesefortschritt und Probleme (dudas) besprechen, weiterlesen und an ihren Präsentationen arbeiten. Wichtig ist mir, dass die Schüler*innen sich auch untereinander austauschen.

Auswahl:

Die privaten Lesegewohnheiten der Schüler*innen unterscheiden sich sehr von den schulischen, d.h. sie wählen Bücher selbst aus, lesen sie zu unterschiedlichen Zeiten, überlesen Stellen etc. Vor allem wählen sie sie nach anderen Gesichtspunkten aus: Die Geschmäcker sind sehr unterschiedlich, und dies möchte ich bei der Auswahl der Bücher für den „Koffer“ berücksichtigen. Grundsätzlich können sich die Schüler*innen auch ganz selbständig ein Buch aussuchen, das sie lesen möchten, aber die Erfahrung zeigt, dass es den meisten schwerfällt, weil sie ja das Angebot nicht kennen. Ich stelle also eine Liste vor, die aber jederzeit von den Schüler*innen erweitert werden kann.

Ich beziehe nur authentische Texte spanischsprachiger Autor*innen ein, und keine, die speziell für den Spanischunterricht konzipiert wurden, weil ich den Übergang in die weite Welt der „echten“ Literatur schaffen möchte. (Wobei ich doch noch überlege, Lernkrimis hinzuzunehmen…) Weitere Auswahlkriterien sind: Sprachliche Leistbarkeit bzw. Unterstützung, Aktualität und Textvielfalt.

Einige der Bücher gibt es in einer didaktisierten Ausgabe mit Wortangaben, um das Lesen zu erleichtern. Vor allem der Wortschatz ist – auch in der Kursstufe – eine Herausforderung; auch unterscheidet sich die Lesekompetenz der Schüler*innen. Wenn das Lesen sie überfordert, stellen sich auch Lesevergnügen und Motivation nicht ein. Andererseits empfinden andere Schüler*innen die klassischen Schullektüren mit ihrem oft pädagogischen Anspruch als langweilig und ich möchte auch aktuelle Autor*innen einbinden, die vielleicht auch aus Übersetzungen schon bekannt sind, bzw. mit denen man sogar in Austausch treten kann. Die argentinische Schriftstellerin Mariana Enriquez betreibt beispielsweise einen Instagram-Account, auf dem unter anderem Illustrationen zu ihren Texten zu finden sind. Daher entählt die Liste auch authentische Texte ohne sprachlich-didaktische Unterstützung.

Einstieg in das Projekt:

In der ersten Stunde recherchieren die Schüler*innen arbeitsteilig zu der Literaturliste (Inhalt, Genre, Schwierigkeitsgrad, Preis) und wählen ihr Werk aus. Dabei thematisieren wir Lesegewohnheiten und Genres und wiederholen grundlegende Lesestrategien (Worterschließung, Markieren, etc.), die die Schüler*innen schon kennen.  Einen Teil der Lektüren können wir über die Schule anschaffen, andere stelle ich zur Verfügung und einige Schüler*innen kaufen sich die Bücher selbst.

Die eigentliche Lektürephase beginnen wir wieder gemeinsam. Die Schüler*innen bekommen ihre Bücher, bzw. bringen sie mit. Wir besprechen den Umgang mit längeren Texten, sowie mögliche Schwierigkeiten und Strategien, die Lektüre trotzdem flüssig fortzusetzen. Eine Zusammenfassung bekommen sie von mir als Lesezeichen. Dann beginnen sie mit den ersten Seiten und tauschen sich kurz über ihre Eindrücke aus.

Lesephase:

Die Lesephase geht über mehrere Monate. Zwischendurch erinnere ich an das Projekt und biete, am Rande des Unterrichts, Lese-Sprechstunden an, in denen sie Fragen klären können. Diese Unterstützung soll ihnen auch über schwierige Phasen hinweghelfen, damit sie das Buch nicht frustriert zur Seite legen, falls sie sich überfordert fühlen.

Je nach Lesefortschritt erhalten die Schüler*innen in weiteren Stunde Zeit, die Lektüre in der Klasse fortzusetzen, bzw. schon mit ihrer Präsentation anzufangen.

Präsentation:

Für die Präsentation habe ich zwei Formate zur Auswahl gestellt: einen One Pager oder ein Booktok-Video. Inhaltliche Kriterien für beide sind eine kurze Zusammenfassung und eine individuelle Auseinandersetzung mit dem Buch: Die Präsentation von relevanten Themen, Textzitate und eine Evaluation. Beide werde ich kurz vorstellen, ich habe aber auch Beispiele eingestellt, die zeigen, wie sie umgesetzt werden können. Grundsätzlich sind die Schüler*innen auch hier frei: Sie sollen ein Format wählen, das sie anspricht. Wie bei der Buchauswahl ist die Liste nicht abschließend; sie können auch eine andere Präsentationsform wählen, wenn sie sie vorher mit mir absprechen. Die Präsentationen werden in eine Taskcard eingestellt, so dass der Kurs sie als Inspiration zum Weiterlesen nutzen kann.

Hier ist das Lesezeichen:

https://www.canva.com/design/DAFs1hYENn8/okSoDUfd4k0D3DTwiYnOmA/edit?utm_content=DAFs1hYENn8&utm_campaign=designshare&utm_medium=link2&utm_source=sharebutton

Und hier geht es zur Taskcard:

https://kmz-kn.taskcards.app/#/board/ad6408a9-3631-4e01-8b95-7f71131024c6

Eine gute Übersicht zum Lesen im Fremdsprachenunterricht bietet zum Beispiel der „Sammelband Unterricht Englisch: Lesen“, Friedrich-Verlag, 2012.

Das Beitragsbild (auch Hintergrundbild der Taskcard) ist von Ivo Rainha: https://www.pexels.com/de-de/foto/architektonisches-detail-buchgeschaft-ivo-rainha-livraria-lello-1261178/

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Das didaktische Potenzial von Almodóvars Madres paralelas

In Madres paralelas, einer dramatischen Geschichte um die Freundschaft zweier ungleicher Mütter und die Selbstfindung einer jungen Frau, setzt sich Almodóvar auch mit der spanischen Geschichte und der memoria histórica auseinander. Sowohl in der Handlung als auch in der ansprechenden Darstellung des modernen Spaniens liegt großes Potenzial für den Spanischunterricht in der Oberstufe.

Handlung

Zwei werdende Mütter lernen sich im Krankenhaus kennen und freunden sich trotz denkbar großer Unterschiede in Alter, Lebenssituation und auch Einstellung zu ihrer Schwangerschaft und der bevorstehenden Geburt an. Janis ist Anfang 40, selbständige Fotografin, und entschlossen, ihr Kind, das Resultat einer Affäre, allein aufzuziehen. Ana ist noch Teenager, ungewollt schwanger und findet wenig Unterstützung bei ihren getrenntlebenden Eltern. Beide Babys müssen kurz untersucht werden, ehe sie von den Müttern mit nach Hause genommen werden. Was als unwichtiger Zwischenfall erscheint, erweist sich später als schicksalhaft: Als Janis und Ana sich einige Zeit später wieder begegnen, wird Janis nach und nach klar, dass die Babys im Krankenhaus vertauscht wurden. Die (melo)dramatische Handlung um die beiden Frauen (Das bei Ana lebende Kind ist inzwischen am plötzlichen Kindtod gestorben) ist in einen weiteren Handlungsstrang eingebettet, der im zweiten Teil des Films an Bedeutung gewinnt: Arturo, der Vater von Janis Kind, ist forensischer Anthropologe und arbeitet für eine Stiftung, die sich für die Aufarbeitung der Verbrechen des Franco-Regimes einsetzt. Janis und einige Bewohner ihres Heimatdorfs beantragen die Exhumierung eines Massengrabs, in dem die Leichen von republikanischen Opfern des Regimes liegen, darunter Janis Urgroßvater.

Historischer Hintergrund

Der historische Bezug der Handlung ist ein erster Ansatzpunkt für den Einsatz des Films im Spanischunterricht im Rahmen der Behandlung des franquismo und der memoria histórica. Janis‘ Einsatz für die Exhumierung ihres Urgroßvaters zeigt, wie schwer es immer noch ist, Gerechtigkeit für die Verbrechen der Vergangenheit durchzusetzen. Obwohl die Verbrechen des Franco-Regimes in der Ley de la Memoria Histórica anerkannt werden, müssen die Hinterbliebenen der Opfer nach wie vor darum kämpfen, dass ihre Angehörigen gefunden und die Massengräber aus jenen Tagen exhumiert werden. Die Regierung von Mariano Rajoy reduzierte erst die Finanzierung und verweigerte sie schließlich ganz, so dass Exhumierungen kaum noch möglich waren. Auch fast 45 Jahre nach dem Ende der Diktatur ist ihre Aufarbeitung noch nicht abgeschlossen, stößt auf den Widerstand sehr konservativer Kreise und wird auch von anderen Spaniern als Aufreißen alter Wunden kritisch gesehen. “¡A ver si te vas enterando de en qué país vives!” ruft Janis der jungen Ana zu, die kein Verständnis für ihr Bemühen um die Exhumierung ihres Urgroßvaters hat: „Los muertos es mejor dejarlos donde están.“ Madres paralelas zeigt also den sehr aktuellen Streit um den Umgang mit der Vergangenheit.

Väter, Mütter und die Wahrheit

Die beiden Handlungsstränge stehen nicht unverbunden nebeneinander. In Madres paralelas durchdringt die Geschichte das moderne Leben und prägt das Leben der Protagonist*innen. Deutlich wird dies beispielsweise in der Darstellung der Väter, die dieser Rolle fast durchweg nicht gerecht werden: Janis hat ihren eigenen Vater nie kennengelernt, er hat ihre Mutter vor ihrer Geburt verlassen. Ana scheint ihrem leiblichen Vater, der mit seiner zweiten Frau zusammenlebt, lästig zu sein. Nur widerstrebend nimmt er sie bei sich auf. Alberto, der Vater von Janis Tochter, ist noch verheiratet und zunächst nicht bereit, sich von seiner Frau zu trennen. Als er Janis besucht und sie ihm ihre Tochter vorstellt, distanziert er sich, weil er meint, sich in ihr nicht wiederzuerkennen. Ana selbst wurde schwanger, als sie bei einem Jungen, in den sie verliebt war, von ihm und seinen Freunden zum Sex genötigt wurde; lange Zeit weiß sie nicht, wer der leibliche Vater ihres Kindes ist. Es scheint, als sei das Verhältnis der Väter zu ihren Kindern und Partnerinnen von Vernachlässigung und Gewalt geprägt. Als einzige positive Vaterfigur erscheint dagegen Janis Urgroßvater: Die Großmutter erzählt, dass er mit seiner jüngsten Tochter spielte, als er von Soldaten abgeführt und hingerichtet wurde. Die Rassel des Kindes, die er damals in der Hand hielt, wird bei der späteren Exhumierung bei ihm gefunden. Auch Alberto erweist sich als besserer Vater, als es zunächst den Anschein hat: Das von ihm zurückgewiesene Kind ist tatsächlich nicht seines. Dafür befindet er sich am Schluß des Films in einer Beziehung mit Janis, die wieder schwanger ist. In Verbindung mit dem zweiten Handlungsstrang, scheint diese Unfähigkeit der Väter durch die spanische Geschichte und ihren Umgang damit bedingt zu sein: Der „gute“ Vater wird durch ein Erschießungskommando seinen Kindern entrissen, und erst, als dieses Verbrechen im wahrsten Sinn des Wortes aufgedeckt ist, kann der Mann, der es aufgedeckt hat, ebenfalls zu einem echten Familienvater werden. Dazwischen liegen Gewalt, Abwesenheit und Vernachlässigung.

Wie auch in anderen Filmen Almodóvars nehmen die Frauen eine aktive Rolle ein und suchen nach Auswegen, sowohl für sich selbst als auch für ihre Familien. Sowohl Janis als auch Ana sind liebevolle Mütter, ohne in eine traditionelle Rolle zu verfallen: Janis setzt sowohl ihre berufliche Tätigkeit wie auch ihr politisches Engagement fort, während Ana sich mit ihrer familiären Situation auseinandersetzt und nach Unabhängigkeit strebt. Für beide ist dies mit Schwierigkeiten verbunden: Janis‘ Tochter wird während ihrer Arbeitszeit von einem Au Pair-Mädchen versorgt, das sich in ihren Augen nicht genug um die Kleine kümmert. Ana muss zunächst bei den ungeliebten Eltern wohnen, weil sie keine Möglichkeit sieht, sich und das Kind zu versorgen. Mutter zu sein ist auch im modernen Spanien nicht einfach, aber immerhin ist die Verbindung von Mutterschaft und Selbständigkeit eine Möglichkeit, während eine Generation zuvor Anas eigene Mutter daran noch gescheitert ist: Scheint sie zu Beginn die Bedürfnisse ihrer Tochter ihrem eigenen Egoismus zu opfern, zeigt sich, das dieses Vorgehen biografisch bedingt ist, denn da sie ihren Wunsch, Schauspielerin zu werden, ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter nicht unterordnen wollte, erklärte ein Gericht bei der Trennung von ihrem Mann sie für unfähig, die gemeinsame Tochter aufzuziehen und sprach sie ihrem Mann zu..

Was alle Frauen eint, ist die Suche nach sich selbst innerhalb unsicherer Umstände. Diese sind ökonomisch und sozial bedingt, finden sich aber auch in den familiären Strukuren wieder, die auch hier die Auswirkungen der Diktatur auf die spanische Gesellschaft zu spiegeln scheinen: Janis und Ana verlassen das Krankenhaus jeweils mit dem falschen Kind, das eigene wurde ihnen dort genommen. Auch wenn es sich um ein Versehen zu handeln scheint, kann man nicht umhin an die niños robados zu denken, die im franquismo gerade alleinstehenden Müttern nach der Geburt weggenommen und an regimetreue Familie weitergegeben wurden. Die Mütter erfuhren, wenn überhaupt, erst viel später von dem tatsächlichen Schicksal ihres Kindes, auch dann ohne die Möglichkeit, es wiederzusehen, ähnlich wie Janis, die sich, als ihr die Verwechslung bewusst wird, auch mit dem Tod ihres leiblichen Kindes auseinandersetzen muss. Solange sie ihr Wissen für sich behält, ist das Verhältnis zu Ana konflikthaft: diese sieht in ihr ein Vorbild, später eine Geliebte, beides Rollen, die Janis nicht wirklich übernehmen möchte. Auch hier führt erst die Wahrheit zu einer Auflösung: Ana nimmt ihr Kind und verlässt Janis‘ Wohnung; am Schluss scheinen sie aber wieder zu einer Freundschaft zurückgefunden zu haben und auch Janis‘ Kontakt zu dem Kind, das sie lange für ihre eigenes hielt, bleibt bestehen. Auch Anas Mutter kann sich, nachdem sie Ana und Janis ihre Geschichte erzählt hat, auf ihre Tochter einlassen, ohne ihre eigenen Wünsche zurückzustellen.

Madres paralelas im Spanischunterricht

Madres paralelas eignet sich aufgrund der Thematik aber auch der sprachlichen Anforderungen für den Unterricht in der Oberstufe.

Als Einstieg eignet sich die Frage nach der Perspektive der Schüler*innen zu den grundlegenden Themen: ¿Para tí, la historia es importante? ¿Sabes cómo quieres vivir en el futuro? ¿Será importante para ti tu trabajo, tener hijos, ser independiente …? Anworten können in einem Plakat oder einer digitalen Pinnwand gesammelt werden.

Die Schüler*innen sollten den Film ohne zu viel Lenkung von außen sehen. Als Grundlage zur weiteren Arbeit wäre es aber sinnvoll, dass sie ihre Eindrücke direkt im Anschluss festhalten und sich Stichpunkte zu den Hauptpersonen, den wichtigsten Ereignissen und den visuellen Eindrücken machen.

Spaniens Geschichte und der gesellschaftliche Umgang mit ihr bieten sich als ein Fokus der Arbeit mit dem Film an, ebenso der analytische Blick darauf, wie Almodóvar diese in dem Film darstellt. Der sozio-historische Aspekt kann auch unter dem Blickwinkel der Demokratiebildung betrachtet werden: Ein Vergleich der Positionen Anas und Janis‘, die Frage nach der Wirkung und den Handlungsmöglichkeiten politischen Engagements.

Da die Protagonistin Ana im Alter der Schüler*innen und auf der Suche nach sich selbst ist, lässt sich auch darüber gut an ihre Lebenswelt anknüpfen. So wirft der Film die Frage nach der Selbstverwirklichung auf: Wie möchte ich leben? Wo sehe ich mich in Zukunft? Welche Rolle spielen / wer sind Vorbilder für mich? Hier könnte Janis als Vorbild für Ana genauer in den Blick genommen werden: Sie lebt ihr finanzielle Unabhängigkeit vor, bringt ihr bei, traditionelle spanische Gerichte zu kochen und fordert sie auf, eine politische Position einzunehmen. Zugleich setzt Ana sich auch kritisch mit ihr auseinander. Könnten auch die Schüler*innen sie als Vorbild sehen? Schwierig kann hier sein, dass es in dem Film kein wirkliches männliches Vorbild gibt – eventuell könnte die Figur Alberto unter diesem Blickwinkel analysiert werden.

Eine wichtige Stellung nehmen in Almodóvars Film auch die Bilder der Orte ein: ein ansprechendes, modernes und lebendiges Madrid und Janis Heimatdorf, sowie Janis Wohnung und das Haus ihrer Großeltern.

Schließlich können der Regisseur Almodóvar und seine filmische Arbeit in den Bick genommen werden.

Falls der Film nicht im Zusammenhang mit einer Einheit zur spanischen Geschichte gesehen wird, ist es sinnvoll, einige Aspekte vorher aufzuarbeiten. Materialien und Vorschläge zur Vorgehensweise finden sich auf dem Arbeitsblatt „trasfondo“. Die Schüler*innen können im Anschluss an die Filmschau weitgehend selbständig arbeiten und auch eigene Schwerpunkte setzen. Vorschläge dazu stehen auf dem Arbeitsblatt „tareas afinales“. Die fertigen Analysen werden in einem Marktplatz vorgestellt und von den Mitschüler*innen kommentiert. Hierbei können sie wieder auf ihre Überlegungen zur Einstiegsfrage zurückgreifen.

Hier sind die Arbeitsblätter zur Vorbereitung sowie zur tarea final:

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KI im Spanischunterricht – ¡claro que sí!

Künstliche Intelligenz beschäftigt uns Fremdsprachenlehrkräfte spätestens seit die Schüler*innen Übersetzer nutzen, und umso mehr, seit es Tools gibt, die gar nicht so schlechte Texte zu typischen Themen aus dem schulischen Bereich verfassen können: Charakterisierungen, Argumentation, Textanalysen, ganz zu schweigen von den eher einfachen Texten, die in den ersten Jahren im Fremdsprachenunterricht geschrieben werden (z.B. Beschreibe dein Stadtviertel in einer Email, Berichte von dem vergangenen Wochenende, u.ä.). Gar nicht so schlecht heißt, dass diese Texte vielen schulischen Bewertungskriterien wie sprachlicher Richtigkeit, Erfüllung des Operators, ausreichender Umfang u.ä. genügen würden. Auf der Inhaltsebene gibt es allerdings noch Luft nach oben: Die Ergebnisse sind teilweise fehlerhaft, häufig vor allem unoriginell. Trotzdem bieten sie viele Möglichkeiten für den Unterrichtseinsatz.

Dass wir KI bewusst in den Unterricht einbeziehen sollten ist für mich klar – sie gehört zur Lebenswelt der Schüler*innen und wird die Kommunikation in unterschiedlichen Sprachen in Zukunft sehr beeinflussen. Es ist also sinnvoll, sich damit auseinanderzusetzen, zu lernen, KI-Tools bewusst und sinnvoll zu verwenden, und auch über die Folgen zu diskutieren. Das bedeutet natürlich auch, dass sich der Unterricht verändern wird, weil sich viele bisher übliche Arbeiten einfach durch eine KI erledigen lassen, ob wir das richtig finden oder nicht. Eine sinnvolle Nutzung der KI ist auch eine Haltungsfrage: Bei Lehrer*innen und Schüler*innen Offenheit für Neues und den Ansatz, sie als Mittel zum Lernen zu sehen, und kreativ in ihrem Einsatz zu sein. Christian Spannagel hat das auf Twitter so zusammengefasst:

1. Übersetzungstools

Ich habe mir in Hinblick auf den Spanischunterricht vor allem drei Tool-Typen angesehen und stelle ein paar Ideen vor:

Übersetzungstools (z.B. Google Translator, DeepL): Sie sind schon länger im Umlauf und werden auf vielfältige Arbeit im Fremdsprachenunterricht eingesetzt:

  1. Korrektur: Die Schüler*innen geben als fehlerhaft angestrichene Ausdrücke in den Übersetzer ein, vergleichen sie mit der Version des Übersetzers und notieren sie zusammen mit der Regel.
  2. Überarbeiten eigener Texte: Die Schüler*innen schreiben einen Text, geben ihn in ein Übersetzungstool ein und erhalten durch Hin- und Rückübersetzung eine neue Fassung. In DeepL kann man auch von Spanisch zu Spanisch übersetzen lassen und braucht keine Rückübersetzung. Dann markieren sie Unterschiede, überlegen, wo es sich um Alternativen und wo um Fehlerkorrektur handelt.
  3. Wortschatzaufbau: DeepL liefert auch Synonyme, so dass ich Sätze unterschiedlich formulieren kann. (Bild 1)

Für alle Einsatzmöglichkeiten gilt:

DeepL (und auch der Google-Translator) sollten mit ganzen Sätzen, bzw. Ausdrücken genutzt werden, um idiomatische Ergebnisse zu erhalten, die so auch gelernt werden.

Übersetzer müssen klug genutzt werden. V.a. die gelieferten Synonyme bedeuten nicht genau dasselbe, wie in der Eingangsphase gesucht (Laura se reúne con sus amigos.), bzw. sind falsch (*Laura se habla con sus amigos.). Schüler*innen müssen lernen, den Ergebnissen nicht blind zu vertrauen, sie mit ihrem Vorwissen abzugleichen und Strategien zur Überprüfung einzusetzen, wie z.B. die Rückübersetzung (Bild 2), bzw. das Eingeben des Satzes in eine Suchmaschine um festzustellen, ob diese Formulierung überhaupt brauchbare Ergebnisse liefert.

2. Chatbots

Chatbots: Seit OpenAI seinen playground und jüngst auch das Programm ChatGPT zur Verfügung gestellt hat, probieren viele Lehrkräfte aus, was mit diesen Tools zu leisten ist. Hendrik Haverkamp verwendet das Tool bereits sehr umfangreich und auch in Klausuren, und lässt seine Schüler*innen die gefundenen Ergebnisse vergleichen und überarbeiten und dies reflektieren. (Link) OpenAI warnt auf der Startseite des ChatGPT vor den Grenzen und Risiken der Nutzung: “May occasionally generate incorrect information, May occasionally produce harmful instructions or biased content, Limited knowledge of world and events after 2021.” (https://chat.openai.com/chat, am 18.12.2022, 13:27 Uhr) Zahlreiche Versuche haben gezeigt, dass ChatGPT inhaltlich deutlich daneben liegen kann, und sogar Informationen oder Quellen „erfindet“. Auch hier müssen die Schüler*innen also lernen, dass sie den Ergebnissen inhaltlich nicht einfach vertrauen dürfen, aber sie können das Programm trotzdem für sich nutzen:

Sehr vielversprechend ist der Ansatz von Hendrik Haverkamp auch für den Spanischunterricht: Die Antworten, die ChatGPT gibt, wenn Operatoren des Anforderungsbereichs III (discutir, evaluar …) verwendet werden, sind sehr allgemein. Die Schüler*innen können ihnen aber Anstöße entnehmen und diese dann konkretisieren. Ich habe z.B. die Aufgabe gestellt zu diskutieren, ob junge Spanier*innen in der aktuellen ökonomischen Situation nach Deutschland auswandern sollten oder nicht. ChatGPT nennt in diesem Beispiel (Bild 3) Kriterien nach denen die Entscheidung getroffen werden kann, gibt also eine sinnvolle Struktur vor. Außerdem können die Schüler*innen das Ergebnis als sprachlichen Steinbruch nutzen.

Konkreter sind die Ergebnisse, wenn ich nach konkreten Informationen frage (Anforderungsbereich I). Auch hier können Fehler enthalten sein, auch wenn ChatGPT sich weigert, absichtlich falsche Antworten unterzubringen (Bild 4). Trotzdem kann das Ergebnis ein Ausgangspunkt für eine Recherche sein, die die Schüler*innen nun viel zielgerichteter durchführen können (Bild 5).

  • Auch in den ersten Lernjahren können die Schüler*innen mit dem Programm arbeiten. Im Beispiel wird nach Freizeitaktivitäten und wo sie ausgeführt werden können gefragt. (Bild 6) Die Schüler*innen können markieren, welche Aktivitäten und Orte sie bereits kennen, und jeweils drei neue dazulernen. Ebenso können sie mit der Antwort auf die Frage ¿Qué puedo hacer en Mallorca? arbeiten. (Bild 7) Beide Aufgaben trainieren das Leseverstehen, denn die Antworten sind in nicht zu schwerem Spanisch geschrieben, enthalten aber unbekanntes Vokabular. Die Schüler*innen müssen also herausfiltern was sie bereits verstehen, sich weiteres erschließen und einen nicht verstandenen Rest tolerieren. Sie könnten aber nach eigenem Interesse einen Absatz auswählen, das Vokabular nachschlagen und weiter recherchieren.

3. Text-zu-Bild Generatoren:

Hier hat mich besonders eine Idee von Christian Stumfold inspiriert:

Die Schüler*innen geben ihre Bildbeschreibung in die KI ein, und vergleichen ihre Vorstellung mit dem erstellen Bild. Unter dem Tweet ist auch ein Beispiel abgebildet. Bei meinem Versuch hat die KI allerdings Lokalisierungen wie „a la derecha“, „al fondo“ usw. nie übernommen, so dass (noch!) Lokalpräpositionen herausfallen.

Eine weitere Idee: Die Schüler*innen geben Liedtexte ein, z.B. Weihnachtslieder, und generieren damit Bilder. Anschließend erraten die Mitschüler*innen, welches Bild welches Lied darstellt und begründen dies. Dabei stellen sie fest, dass häufig nur einzelne Schlüsselbegriffe übertragen wurden. Sie beurteilen, ob die Bilder das Lied gut wiedergeben, was noch fehlt, etc. (Wenn man den Liedtext zu „Mi burrito sabanero“ eingibt, erhält man übrigens das Bild eines mexikanischen Snacks.) Auf diese Weise setzen sie sich mit den Liedtexten inhaltlich auseinander und beschreiben Bilder und Emotionen. Hier das Beispiel: https://www.canva.com/design/DAFVBcuIh3Y/219j12spBBm88EvCdiodlw/view?utm_content=DAFVBcuIh3Y&utm_campaign=designshare&utm_medium=link2&utm_source=sharebutton

Fazit:

Die Möglichkeiten, KI zum Spracherwerb zu nutzen sind vielfältig, und gerade weil die Schüler*innen Strategien benötigen, um sie sinnvoll zu nutzen, sollten wir sie im Unterricht verwenden und letztere einüben.

Ein Wort noch zu den verwendeten Tools: Alle hier verwendeten Seiten und Tools (OpenAI, ChatGTP, Canva) sollten auch kritisch betrachtet werden. Sie sind kostenlos zu nutzen, z.T. nur mit Anmeldung, was nicht bedeutet, dass sie ganz unproblematisch sind. Sie sind nicht dsgvo-konform, d.h. die Schüler*innen sollten auf gar keinen Fall persönliche Daten hinterlassen. Sie dienen letztendlich kommerziellen Zwecken. Die bekanntesten Tools aufzugreifen heißt auch, v.a. immer wieder dieselben großen Plattformen zu fördern, statt kleinere bekannt zu machen und ein breiteres Angebot zu unterstützen. Sie aus diesen Gründe nicht zu nutzen halte ich aber nicht für sinnvoll, denn sie gehören bereits zum Leben unserer Schüler*innen. Unsere Aufgabe ist es, sie in einer sinnvollen Nutzung zu unterstützen, sie zum Ausprobieren aber auch zu einer kritischen Grundhaltung zu ermutigen.

Zum Nach- und Weiterlesen:

Ganz frisch gebloggt ebenfalls zu KI im Spanischunterricht hat Iris Laube: https://www.ingerfeldundlaube.de/blog/ki-im-fremdsprachenunterricht

Zur Arbeit von Hendrik Haverkamp z.B.: Christoph Meier (swiss competence centre for innovations in learning):  https://www.scil.ch/2022/12/17/chatgpt-einsatz-im-unterricht-und-bei-pruefungen/, sowie: https://the-decoder.de/ein-lehrer-laesst-ki-bei-klassenarbeiten-zu-das-hat-er-dabei-gelernt/

Sehr spannend die Überlegungen von Nele Hirsch zur Nutzung von KI im Bildungsbereich: https://ebildungslabor.de/blog/einordnung-und-nutzung-von-ki-in-der-bildung/

Philippe Wampfler: Grundlagenartikel: Umgang mit KI-Programmen im Schreibunterricht https://schulesocialmedia.com/2022/10/15/grundlagenartikel-umgang-mit-ki-programmen-im-schreibunterricht/

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Joan Miró – hablar sobre el arte

Zur Zeit kann man in unserer kleinen Stadt eine ebenfalls kleine aber sehr feine Ausstellung mit Werken des katalanischen Künstlers Joan Miró besuchen. Bei der Gestaltung und im Rahmenprogramm werden die lokalen Schulen regelmäßig eingebunden, so wurde unter anderem das Ausstellungslogo in einem Schüler*innenwettbewerb gestaltet.

Ein Besuch mit einer Klasse lohnt sich auf jeden Fall, aber ich möchte auch, dass die Schüler*innen sich sprachlich mit den Bildern auseinandersetzen. Da Miros Bilder kaum gegenständlich sind, ist eine Bildbeschreibung sehr anspruchsvoll; viele Bilder ließen sich allein der Beschreibung nach vermutlich kaum unterscheiden.

Im Folgenden zeige ich an fünf Beispielen, wie sich Schüler*innen unterschiedlicher Niveaus, auch nach einem Lernjahr, mit den Bildern und Miros Biografie beschäftigen können. In einem Fall müsste auf dem Arbeitsblatt auch ein Bild sein, was ich hier aus urheberrechtlichen Gründen natürlich nicht darstellen kann. Statt dessen verlinke ich in der Beschreibung auf einzelne Bilder. Die Arbeitsblätter können auch für die Beschäftigung mit anderen, ähnlichen Bildern verwendet werden.

1. Biografía para niños

Dieses Video des YouTube-Kanals „Anakronismos“ erzählt eine Geschichte über die Tiere, die sich in Miros Bildern – mit etwas Fantasie – erkennen lassen. Mit etwas Vorbereitung können bereits Schüler*innen nach dem ersten Lernjahr Teile des Textes verstehen und sie erhalten einen ersten Eindruck von Miros Malerei.

2. Mediación

In dem Video des ersten Teils entsteht die Beziehung zu Miros Biographie durch die Bilder und durch die Orte, an denen er gelebt hat: Barcelona, Paris und Mallorca. Hier lernen die Schüler*innen einige weitere Fakten über Miros Leben kennen und sprachmitteln dies. Die Textgrundlage ist eine Informationstafel in der Ausstellung, die Aufgabe kann aber an jeden anderen Text angepasst werden.

3. Ubicar colores

Charakteristisch für viele Bilder Miros ist die Farbgestaltung: häufig sind es nur wenige Grundfarben. In dieser Aufgabe sollen Schüler*innen sich gegenseitig die Farbgestaltung eines Wandteppichs beschreiben, der Partner / die Partnerin koloriert nach diesen Angaben den Ausdruck einer schwarz-weiß Fotografie des Wandteppichs.

4. Ver detalles

Auch wenn Miro sich in vielen Werken auf wenige Farben beschränkt, enthalten sie im Gegenzug sehr viele Formen und Details. Einige Formen wiederholen sich und werden neu kombiniert. Ihre Deutung ist dabei – trotz aller Versuche, Miros Symbolik zu entschlüsseln – nicht eindeutig, und so können auch die Schüler*innen selbst entscheiden, was sie in einzelnen Formen wiederzuerkennen meinen. Diese Aufgabe zielt daher darauf ab, möglichst viele Formen zu deuten und zu erproben, ob diese Deutung für andere nachvollziehbar ist. Grundlage ist ein Bild aus der Reihe Constellations: https://www.moma.org/collection/works/29082

5. Verano

Das Bild zeigt eine Strandszene. Die Details (Meer, Wellen, Personen, Sonne, Mond, Strand) sind klar zu erkennen, weshalb auch „klassische“ Methoden des Umgangs mit Bilder möglich sind: Beschreibung, Imaginieren einer Geschichte, Dialoge zwischen den Beteiligten u.a. ES handelt sich um dieses Bild: https://www.plazzart.com/de_CH/kauf/moderne-kunst/joan-miro-sommer-1938-lithographie-508317

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La Movida madrileña und ein paar Überlegungen zum Hörverstehen

Vorüberlegungen: Thema und Kompetenz Hörverstehen

Nachdem wir uns in der Kursstufe mit dem nicht von allen geliebten Thema „Franquismo“ beschäftigt haben, wollte ich mit einem Einblick in die Movida madrileña, der (sub)kulturellen Explosion, die auf auf die bedrückende Atmosphäre der Franco-Ära folgte, abschließen. Herausfordernd bei historischen Themen finde ich, dass der Unterricht thematisch sehr dicht ist, weil die spanische Geschichte den meisten meiner Schüler*innen fremd ist, ich also schon in die Ereignisse einführen muss, zugleich aber auch möchte, dass sie eine Vorstellung von einem Leben in dieser Zeit entwickeln, also nicht auf einer oberflächlich-abstrakten Ebene verbleiben, und schließlich die sprachlichen Mittel, um all das zu verhandeln, in Teilen auch erst neu erarbeitet werden. Aus vielerlei Gründen blieb es bei der Movida bei einem kurzen Einblick, bei dem außerdem das Hörverstehen im Vordergrund stehen sollte.

Hör- und Leseverstehen waren in den letzten Jahren sehr von der Fokussierung auf geschlossene Aufgabenformate (falsch/richtig, Multiple Choice, Lücken) dominiert; dahinter stand der Gedanke, das Verstehen von der Produktion zu trennen, also zeigen zu können, dass man einen Text verstanden hat, auch wenn evtl. die sprachlichen Mittel fehlten, dies auszudrücken. Das ist aus der Perspektive des Testens sinnvoll, aber meines Erachtens nicht aus der des Lernens und auch nicht aus der einer authentischen Kommunikation. Aufgabenstellungen sollen eine (fast) immer vorhandene Hörabsicht ersetzen; eine Multiple-Choice-Frage strukturiert das Hören aber in einer Weise vor, wie es außerhalb der Schule nur in Ausnahmefällen geschieht. Wann höre ich einen Podcast oder sehe einen Film und achte nur darauf, welche von drei vorgegebenen Aussagen gemacht wird? Wer gibt mir immer drei Möglichkeiten und garantiert mir, dass eine davon richtig ist? So sinnvoll es ist, aktives Zuhören zu trainieren, sollte das meiner Meinung nach, um einer authentischen Situation nahezukommen, auf eine offene Aufnahme (eines Teils) des Gehörten auf der Basis von eigenen Erwartungen und später des bereits rezipierten Textes hinauslaufen. Und genau das übt man mit Multiple-Choice-Aufgaben nicht. Außerdem widerstrebt es mir einfach, die Beschäftigung mit einem Text so stark zu lenken. Ich nutze solche Aufgaben also nur wenn ich direkt auf Prüfungen vorbereite, aber sonst eher nicht.

Die Beschäftigung mit Texten (mündlich oder schriftlich) dient im Fremdsprachenunterricht zusätzlich immer auch als Input für sprachliche Mittel. Zusätlich zu denen, die gebraucht werden, um die Texte zu verstehen, die die Schüler*innen also vorher brauchen, stellen sie weiteres Vokabular und komplexe Wendungen zur Verfügung, die in Zukunft verwendet werden können. Eine Auseinandersetzung mit der Sprache ist allein auf Basis des Hörens aber eher schwierig. Daher setzte ich zur Nachbereitung von Hörtexten auch gern die Transkripte ein, die auch schon zur Überprüfung des Gehörten dienen können. Für die Erstellung von Transkripten zu Hörtexten gibt es inzwischen Software, aber einfacher ist es natürlich, wenn sie bereits da sind: zu vielen YouTube-Videos gibt es automatische Transkripte, die allerdings sprachlich nicht immer ganz korrekt sind, und erfreulicherweise ist auch bei einigen Podcasts ein Transkript angefügt.

Während das Lösen von geschlossenen Aufgaben zu Hörtexten für das Lernen weniger geeignet ist, ist es das Erstellen solcher Aufgaben aber durchaus: Auf inhaltlicher Ebene müssen die Schüler*innen relevante Informationen von eher unwichtigen unterscheiden, und bei Multiple-Choice-Aufgaben sich gut genug mit dem Thema auskennen, um plausible Distraktoren zu entwerfen. Auf sprachlicher Ebene müssen sie den Text für die Aufgabenstellung umformulieren und paraphrasieren und außerdem Vokabelangaben einplanen. Die Lösungen der Mitschüler*innen, die den Text mit ihren Aufgaben rezipieren, geben Aufschluss darüber, wie gut sie das jeweils gemacht haben.

Die Stunde

Aufgrund dieser Vorüberlegungen, und nachdem ich erfreulicherweise passende Hörtexte mit Transkription gefunden hatte, entstand die folgende Unterrichtsstunde:

Den Einstieg bildete der Trailer zu Pedro Almodóvars Debutfilm „Pepi, Luci, Bom y otras chicas del montón“ (auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=dqox5M8HHdw ) unter der Leitfrage: ¿Por qué la película escandalizó a la sociedad de entonces? Die Sequenz ist nur 56 Sekunden lang. Man sieht junge Frauen die sich in der Diskothek amüsieren, einen Transvestiten und auch die Vergewaltigung einer Frau durch einen älteren Mann. Für die Schüler*innen erschloss sich schnell, dass der Film dem traditionellen Frauenbild (ausgerichtet an Ehe und Mutterschaft) widerspricht, dass explizite Sexualität und Homosexualität einen Skandal darstellte und die gezeigte Gewalt als symbolisch für die Diktatur gesehen werden kann.

Vertiefte Informationen zum kulturellen Kontext, der Movida, sowie zu Pedro Almodóvar sollten sie zwei Podcasts entnehmen, arbeitsteilig, so dass jeweils ein Podcast von einer Gruppe gehört, und anschließend mithilfe des Transkripts für die andere Gruppe aufbereitet wurde. Die Ziele, neue Informationen aufzunehmen und das Hörverstehen zu trainieren wurden vorher besprochen, so dass auch klar war, dass das Transkript sinnvollerweise erst nach dem Hören und dem Austausch darüber hinzugezogen werden sollte. Anschließend wurden die Aufgaben jeweils einer anderen Gruppe zur Verfügung gestellt.

Aufgabenstellung
Aufgabenstellung (s. Link)

Abschließend wurde die Frage diskutiert, ob es für uns heute noch interessant ist, diesen Film zu sehen, und ob es Filme gibt, die das Lebensgefühl der Schülerinnen widerspiegeln.

Eine Anmerkung zur Auswahl der Texte: Ich arbeite hier mit Podcasts für Spanischlerner*innen, weil sie Hintergrundinformationen liefern, die Sendungen für ein spanischsprachiges Publikum einfach voraussetzen. An anderer Stelle nehme ich für die Kursstufe lieber authentische Aufnahmen wie Interviews, Kommentare o.ä.

Podcasts für Spanischlerner*innen auf unterschiedlichen Niveaus finden sich u.a. hier:

https://letsspeakspanish.com/es/blog/podcasts-para-aprender-espanol/#18

https://www.spanishpodcast.net/blog/

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Bildung für nachhaltige Entwicklung: Planear un viaje sostenible

„Bildung für nachhaltige Entwicklung“ ist in den Bildungsplänen der Länder auf allen Stufen verankert und wird als fachübergreifende Aufgabe verstanden, die die Schüler*innen dazu befähigen soll, verantwortungsbewusst in einer globalisierten Welt zu handeln, also Zusammenhänge zu erkennen, ein Problembewusstsen zu entwickeln und das Ziel nachhaltiger globaler Entwicklung in die eigenen Entscheidungen einzubeziehen.

Jugendliche messen dem Klima- und Umweltschutz eine hohe Bedeutung bei und liegen dabei noch über dem gesamtgesellschaftlichen Trend, wie eine alle zwei Jahr durchgführt Studie des Umwelt-Bundesamts zeigt. Zugleich besteht eine gewisse Kluft zwischen Umweltbewussthsein und umweltfreundlichem Handeln. So zeigt die Studie in ihrer Umfrage von 2018 einen Wert von 7,9 (von 10) für „Umweltkognition“, aber nur 4,6 für „Umweltverhalten“. Begründet wird dieser Unterschied mit Kosten-Nutzen-Motiven – das „richtige“ Handeln bedeutet z.B. Verzicht, höhere Kosten und das Aufgeben von Gewohnheiten –, sowie psychologischen Ursachen, z.B. mangelnde Selbstwirksamkeitserwartung (Nur weil ich jetzt verzichte, wird sich nichts ändern.).

Auch in der Schule greifen diese Effekte: Schüler*innen wissen, dass Umweltbewusstsein sozial erwünscht ist, teilen diese Ziele auch, und können sich daher im Unterricht entsprechend äußern. Dennoch resultiert aus diesem Wissen nicht automatisch ein verändertes Handeln. Hier greifen die didaktischen Prinzipien Handlungsorientierung und Reflexion an: Indem die Schüler*innen der Nachhaltigkeitsthematik im Rahmen einer handlungsorientierten Aufgabe begegnen, setzen sie sich damit auseinander und müssen nach alltagstauglichen Lösungen suchen, ohne die Vision einer nachhaltigen Welt aus den Augen zu verlieren. Die daraus entstehenden Konflikte werden im Anschluss besprochen. Eine übersichtliche Darstellung der pädagogischen „BNE-Prinzipien“ findet man zum Beispiel im Portal von éducation 21 (s.u.)

Die Aufgabe: Planear un viaje

Handlungsorientierung ist daher das grundlegende Prinzip der folgenden Aufgabe zur Vermittlung von BNE im Spanischunterricht der Kursstufe: Planear un viaje sostenible a Andalucía. Die Schüler*innen sollen in Gruppen eine ein- bis zweiwöchige Reise nach Andalusien planen, die folgende Anforderungen erfüllt:

  1. Die Reise ist interessant (für die Schüler*innen).
  2. Sie ist nicht zu teuer.
  3. Sie ist umsetzbar.
  4. Sie ist nachhaltig.

Hier werden die Zielkonflikte unmittelbar deutlich: Nachhaltige Angebote sind meistens teurer, was für junge Menschen einen großen Unterschied machen kann. Die Anreise mit dem Flugzeug, die mit Abstand am wenigsten nachhaltig ist, ist um ein Vielfaches schneller und auch deutlich günstiger als die Alternativen Bahn oder Bus und, wie sich im Verlauf der Einheit herausstellte, auch viel einfacher zu planen und zu buchen. Die Schüler*innen müssen sich also Entscheidungen treffen und auch darüber diskutieren, welcher Weg für sie gangbar ist.

Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. (Quelle s.u.)

Die Aufgabe bildet den Abschluss einer Unterrichtseinheit zu Andalusien. Zum Einstieg werden die Nachhaltigkeitsziele der UNO gezeigt und besprochen, welche Zusammenhänge zum Tourismus bestehen. Hier geht es auch darum, das Thema „Nachhaltigkeit“ über den reinen Umweltbezug hinaus aufzuzeigen.

Dann erhalten die Schüler*innen die Aufgabe, sowie eine TaskCard mit Links zu Tourismusanbietern, Verkehrsbetrieben und auch einer Seite zur Berechnung des CO2-Abdrucks. Ebenso werden Vokabelübungen zum Thema Reisen und Umwelt verlinkt, mit dem Hinweis, jeden Tag etwas zu üben. Diese Reisen sollen in einem Power-Point gestützten Vortrag vorgestellt werden, der Kurs stimmt dann darüber ab, welche Reise sie gern durchführen würden. Thematisiert wurden auch die Anforderungen an die Abschlusspräsentation: die Zielgrößen mussten vergleichbar sein und entsprechend dargestellt werden.

Screenshot der Taskcard. Link zur Taskcard s.u.

Erfahrungen:

Ich habe die Aufgabe bereits mit zwei Kursen bearbeitet und dabei die Vorgehensweise weitesgehend den Schüler*innen überlassen, sie aber auch zwischendurch mit ihnen reflektiert. Die Gruppen teilten die Aufgaben intern auf, wobei sich schnell zeigte, dass es einfacher war, ansprechende Aktivitäten zu finden, als die Reise selbst zu organisieren. Es waren regelmäßige Abstimmungen, Zwischenreflexionen und auch Neujustierungen nötig, für die ich jeweils zu Beginn der Doppelstunde Zeit eingeräumt habe.

In beiden Kursen waren die Lösungsvorschläge vielfältig und die Reisen deckten ein weites Spektrum an kulturellen und sportlichen Angeboten ab, was sicherlich auch damit zu tun hat, dass Andalusien ein attraktives Reiseziel ist, das vielen Interessen der Schüler*innen entgegenkommt. Für das nachhaltige Reisen wurden sehr unterschiedliche Lösungen gefunden: Große Hotelketten wurden gemieden, stattdessen Jugendherbergen, kleine Pensionen oder Campingplätze gewählt. Die meisten Gruppen entschieden sich trotz der langen Reisezeit für die Anreise mit der Bahn, eine Gruppe wollte fliegen und das CO2 kompensieren.

Nicht alle Präsentationen entsprachen dabei den Anforderungen in Bezug auf Klarheit und Vergleichbarkeit, was dann auch von der Lerngruppe kritisiert wurde.

Links und Angaben:

Hier ist der Link zur Taskcard: https://www.taskcards.de/board/f6d56db2-0941-40dd-8ae8-186f8ef7b697?token=0258a6de-79ee-4dfa-bcae-7b6393fcc3e6

Die Nachhaltigkeitsziele der VN auf Spanisch: https://www.un.org/sustainabledevelopment/es/objetivos-de-desarrollo-sostenible/

Studie des Bundesumweltamtes: https://www.umweltbundesamt.de/daten/private-haushalte-konsum/umweltbewusstsein-umweltverhalten#stellenwert-des-umwelt-und-klimaschutzes (10.01.2022 abgerufen)

Éducation 21 (nationales Kompetenz- und Dienstleistungszentrum für Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) in der Schweiz): https://www.education21.ch/de/bne-prinzipien (10.01.2022 abgerufen)

Bildquelle UN-Ziele: UNDP – https://www.undp.org/content/undp/en/home/sustainable-development-goals.html, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=52672594

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Lehrproben und Unterrichtshospitationen – ein paar Gedanken zum Referendariat

In den letzten Wochen bin ich auf Twitter immer wieder auf sehr kritische Äußerungen zum Referendariat, vor allem zu Unterrichtshospitationen und Lehrproben gestoßen. Auch wenn mir diese Kritik nicht neu ist, schockiert es mich immer wieder, von wie vielen Kolleg*innen an der Schule diese Zeit als „toxisch“ und „traumatisierend“ empfunden wird und wurde. Ich möchte ein solches Erleben niemandem zumuten, ich kenne auch niemanden, der das will. Um es vorwegzunehmen: Ich denke, dass Ausbilder*innen wie LAA in hohem Maße bereit sein müssen, eigene Konzepte zu hinterfragen und stets im Gespräch darüber sein müssen, was sie von sich selbst und voneinander erwarten und vor allem, was guter Unterricht ist. Aber zunächst meine Gedanken zu einigen der Kritikpunkte:

Sind Unterrichtshospitationen artifiziell und unrealistisch?

Zu den schwierigsten Erfahrungen gehören die Unterrichtshospitationen und die anschließende Beratung und z.T. auch Benotung. Die Erwartungen von Ausbilder*innen werden als überzogen und teilweise auch völlig unvorhersehbar erlebt, die hospitierten Stunden werden in der Konsequenz manchmal sogar zu einer „Theateraufführung“, um diese zufriedenzustellen.

Es werde eigentlich immer ein „Methodenfeuerwerk“ erwartet, das im alltäglichen Unterricht so gut wie nie zu sehen, und bei einer durchschnittlichen Arbeitsbelastung auch nicht zu leisten ist. Clara Schaksmeier beschreibt dies in ihrem Blog als „GAP-Problem“. Aber ist der Vergleich wirklich stimmig? In Lehrproben sollen LAA zeigen, dass sie guten Unterricht halten können, unterschiedliche Methoden kennen, auf ihre Schüler*innen eingehen usw. Das sind Ausnahmesituationen, auf die man sich, je nach Bundesland, unterschiedlich lang vorbereiten kann, in Baden-Württemberg z.B. drei Tage. Die Erwartung ist also die zu zeigen, wie gut ich unterrichten kann, wenn ich viel Zeit zur Vorbereitung habe, mir in Ruhe über alle Details und Unabwägbarkeiten Gedanken machen, verschiedene Vorgehensweisen abwägen kann, usw. Das sind natürlich nicht die Rahmenbedingungen, die sonst im Schulalltag vorherrschen. Trotzdem würde ich sagen, dass die meisten Lehrer*innen sich über Unterricht sehr viele Gedanken machen, die sie aber oft auch schon in produktive Handlungsroutinen übersetzt haben. Sie müssen vielleicht nicht mehr daran denken alle Schüler*innen im Blick zu haben, zu loben, usw., weil sie es automatisch tun. Und wenn sie auch nicht für jede Stunde aufwändiges Material konzipieren (was gar nicht immer gebraucht wird), haben sie das für einige Stunden durchaus getan. Die Dinge, die in Hospitationen gezeigt werden (sollen), sind im Schulalltag vorhanden und dort genauso relevant wie in einer Hospitation, nur eben nicht immer leistbar. Aber eben auch nicht nie.

Vermutete Erwartungen

Ein großer Stressfaktor ist der Eindruck, uabhängig davon wie man selbst Unterricht wahrnimmt, subjektiven Vorstellungen der Ausbilder*innen genügen und deshalb eben eine Traumstunde für sie inszenieren zu müssen. Das kann eigentlich, wenn überhaupt, nur zufällig gelingen – was für eine Anforderung zu erraten, was jemand, den ich nur wenig oder gar nicht kenne, in einer bestimmten Situation erwarten würde.

Lehrproben und Hospitationen zu Beratungszwecken sind kein artifizielles Produkt, es sind zunächst einmal echte Unterrichtsstunden mit echten Schüler*innen und echten Lernzielen. LAA sollten sie nicht an vermuteten Erwartungen ausrichten, und Ausbildende sollten keine spezifischen Erwartungen an Vorgehensweisen haben, außer, dass sie zum Ziel führen. Lehrende, auch wenn sie gerade beobachtet werden, sollten Unterricht an ihren Schüler*innen ausrichten und Vorgehensweisen nach deren Bedürfnissen wählen, und Beobachtende sollten ihn daran messen. Das setzt natürlich voraus, dass ein gemeinsames Verständnis von „gutem Unterricht“ besteht und das kann nur entstehen, wenn sich beide Seiten darüber immer wieder austauschen. „Guter Unterricht“ ist kein leicht zu fassender Begriff, Tiefenstrukturen sind schwerer zu erkennen und zu verdeutlichen als Methoden, aber nur der stete Austausch darüber ermöglicht es meiner Meinung nach, mit gleichen Erwartungen in eine Hospitationsstunde zu gehen, und nicht das „Methodenfeuerwerk“ zum Maßstab zu machen. LAA müssen dazu eventuell Präkonzepte über Schule und Lernen hinterfragen; Ausbilder*innen müssen offen für Entwicklungen und Vorstellungen ihrer Referendar*innen sein, und mit ihnen zusammen an einem Konzept von „gutem Unterricht“ arbeiten.

Bin ich eine schlechte Lehrerin?

Sehr belastend ist im Referendariat auch, wenn man sich als Person, zumindest als Lehrperson, in Frage gestellt sieht und oft auch selbst stellt. Diese Erfahrung haben sicher die meisten Lehrer*innen irgendwann einmal gemacht, ich auch. Aufgemuntert hat mich ein Aufsatz, den ich damals gelesen, und seither leider nie wieder gefunden habe: „How to be a really rotten teacher“. Bin ich eine schlechte Lehrerin, weil ich in der letzten Stunde kein einziges Unterrichtsziel erreicht, die Aufmerksamkeit der halben Klasse verloren und dann eine völlig unrealistische Hausaufgabe gestellt habe? Die Antwort: Nein, ich bin nur eine Lehrerin, die gerade eine wirklich schlechte Stunde gehalten hat. Nach vielen Jahren Berufserfahrung kann ich mit einem positiven Selbstkonzept etwas zersaust aber insgesamt unbeschadet aus solchen Erfahrungen hervorgehen. Als Berufsanfänger*in muss man aber erst selbst in die neue Rolle finden und ein Selbstkonzept entwickeln. Negative Erfahrungen und Kritik von außen haben ein ganz anders Gewicht, stellen manchmal eben gleich die Berufswahl, die Eignung oder gar die eigene Persönlichkeit in Frage. Auch wenn Kritik gut gemeint ist und sich ausschließlich auf ein Vorgehen, und nicht auf die Person bezieht, kann sie Schaden anrichten, wenn sie isoliert im Raum steht, und nicht Teil einer gemeinsamen Arbeit an gemeinsamen oder zumindest gegenseitig wahrgenommenen und akzeptierten Zielen ist.

Für mich ist also das Entscheidende, bereit zu offenen Gesprächen zu sein und dabei vorauszusetzen, dass die andere Person ein echtes Interesse daran hat zu lernen und sich zu entwickeln, bzw. mich als LAA auf diesem Weg zu unterstützen.

Zu diesem Text wurde ich angeregt durch den Beitrag von Clara Schaksmeier (https://www.claraschaksmeier.de/post/das-gap-problem-im-referendariat), die Überlegungen von Björn Nölte (https://noelte030.medium.com/anmerkungen-zum-lehramts-referendariat-e698d6c4aa3e ), vor allem auch die zahlreichen Initiativen zum Austausch von Iris Laube-Stoll und Catrin Ingerfeld (https://www.ingerfeldundlaube.de/ ) und die Beiträge der vielen Kolleg*innen, die sich daran beteiligt haben und unter dem Hashtag #fl_seminar schreiben, sowie die gemalten Denkanstöße von Karl-Heinz Hellwald (hier exemplarisch: https://twitter.com/HellwaldKarl/status/1440921019640860675?s=20) . Und natürlich sowieso die Gespräche mit meinen lieben Kolleg*innen am SAF Rottweil.