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Besser schreiben und sprechen: die „20 Keys“

Ich übernehme nach den Ferien einen neuen Spanischkurs in der Oberstufe. Die Schüler*innen befinden sich dann im 4. Lernjahr. Die Spracherwerbsphase gilt damit als abgeschlossen, d.h. die Grammatik wurde eingeführt – trotzdem beherrschen die Schüler*innen sie natürlich nicht alle gleich sicher.

Zu Beginn des Spanischunterrichts werden die neuen grammatikalischen Strukturen immer wieder verwendet, weil es ohne sie gar nicht möglich ist, Sätze zu bilden. Im Laufe der ersten Jahre kommen aber immer mehr Strukturen hinzu, die im Spanischen zwar häufig gebraucht werden, aber von den Schüler*innen nicht mehr in derselben Intensität genutzt werden. Vor allem als schwieriger und fremd empfundene Strukutren (Subjuntivo! Perífrasis verbales!) werden wenig verwendet. Daher drohen sie auch, aus dem aktiven Gebrauch zu verschwinden, bzw. sich erst gar nicht richtig zu verfestigen und müssen immer wieder aufgegriffen werden.

Ich habe allerdings die Erfahrung gemacht, dass auch in der Kursstufe Grammatikeinschübe nicht immer dazu führen, dass diese Strukturen von den Schüler*innen selbständig (und richtig) verwendet werden, sobald sie frei sprechen und schreiben, und daher nach einer Möglichkeit gesucht, immer wieder auf diese Strukturen zurückzukommen, ohne dass Grammatik den Unterricht dominiert. Einen vielversprechenden Ansatz habe ich jetzt bei Elena Díaz, in ihrem Blog „ThinkingEd“ entdeckt: die „20 Keys“.

Es handelt sich um frequente und komplexere Strukturen, die, wenn sie richtig beherrscht werden, flüssige und authentische spanische Formulierungen ermöglichen. Diese 20 Keys werden immer wieder und bei allen Themen wiederholt, auf unterschiedliche Weise geübt und dienen auch als Grundlage für Korrekturen und Feedback.

Für meinen neuen Spanischkurs (Basis- und Leistungsfach in der Oberstufe) habe ich deshalb die „20 Keys“ angepasst und möchte sie folgendermaßen einsetzen. Sowohl die Gestaltung der Materialien als auch das grundlegende Vorgehen beim Korrigieren habe ich dabei von Elena Díaz übernommen.

Spanische Grammatik
20 llaves für die Kursstufe

1. Als Übersicht mit Beispielen zur Orientierung

Die Schüler*innen haben die Grundgrammatik bereits gelernt, es geht jetzt darum sie zu wiederholen, zu vertiefen und sie im Einzelfall auszubauen. Die Übersicht dient zur Selbstevaluation: Was kann ich schon? Was muss ich wiederholen? Die Beispiele sind Hinweise, keine abschließende Liste.

Die Schüler*innen bekommen die Übersicht zu Beginn des Kurses. Sie gehen die Liste durch und haken ab, was sie sicher zu können meinen. Dann tauschen sie sich untereinander über die schwierigeren Strukturen aus.

2. Als Leitfaden zur Grammatikwiederholung

Auch wenn wir gemeinsam üben, wird die Übersicht herangezogen. Die Schüler*innen können auch eigenständig wiederholen, bzw. gezielt fragen, wenn sie etwas nicht wissen.

3. Als Unterstützung beim Sprechen und Schreiben

Ich thematisiere, dass diese Strukturen hilfreich sind, um sich differenziert auszudrücken. Die Schüler*innen können die Übersicht neben sich legen, wenn sie formulieren, und so nach und nach mehr Strukturen einbauen. Eventuell gibt es individuelle Zielsetzungen, welche Strukturen als nächstes verwendet werden sollen.

4. Für Feedback und Überarbeitungen

Wenn ich Texte korrigiere oder Rückmeldung zu einem längeren mündlichen Beitrag gebe, aber auch zur Bewertung der sprachlichen Qualität, ziehe ich gelungene Formulierungen ebenso wie Fehler heran. Bei den positiven Formulierungen habe ich das bislang eher unsystematisch gemacht: ich habe vermerkt, welche Formulierungen komplex waren, anspruchsvolleres Vokabular enthielten, etc. Mi den „20 Schlüsseln“ habe ich jetzt eine verbindliche Übersicht, und kann auch einfacher rückmelden, welche Strukturen bereits gut verwendet wurden, welche darüber hinaus ausprobiert werden sollten, etc.

Ich sehe folgende Vorteile:

  1. Grammatik wird stärker in die Sprachproduktion integriert und nicht isoliert behandelt.
  2. Mit den „20 Schlüsseln“ sind die Strukturen den Schüler*innen immer präsent, die Grammatik wird daher quasi dauernd wiederholt, ohne den Unterricht zu dominieren.
  3. Die Ziele sind transparent. Die Schüler*innen können sich an der Liste orientieren.
  4. Die Schüler*innen arbeiten selbständig und individuell. Sie evaluieren regelmäßig, welche Strukturen sie schon gut können und setzen sich Ziele für die nächsten Schritte.

Ich bin gespannt, wie sich dieses Vorgehen für meinen Kurs bewährt.

Hier sind meine „20 claves“ als Word-Dokument:

Hier geht es zum Blog von Elena Díaz: https://thinkingediaz.wordpress.com/category/20-keys/

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Die erste Spanischstunde – escribir una carta

Die ersten Stunden in einer neuen Fremdsprache haben immer eine ganz besondere Bedeutung: sie setzen den „Ton“ für die kommenden Monate. Auch wenn nebenher noch Organisatorisches geklärt werden muss, liegt der Fokus daher vor allem auf der Motivation und der ersten Kommunikation; es wird darauf Wert gelegt, dass die Schüler*innen gleich zu Beginn Neues erlernen und auch ihr jeweiliges Vorwissen einbringen können.

Ab der zweiten Fremdsprache werden die Lerngruppen oft aus Schüler*innen verschiedener Klassen zusammengestellt. Ein gutes Gruppenklima ist Voraussetzung dafür ist, dass die Schüler*innen sich trauen, offen und zunehmend frei zu sprechen. Daher lohnt es sich, gleich zu Beginn auf ein gegenseitiges Kennenlernen und einen vertrauensvollen Umgang miteinander zu achten, um so eine Kooperation über Klassen- und Cliquengrenzen anzubahnen. Das funktioniert meiner Erfahrung nach am besten über Kommunikation.

Spanisch ist für viele Schüler*innen der weiterführenden Schulen bereits die dritte schulische Fremdsprache. Dies bedeutet, dass sie bereits ein umfangreiches Sprach- und Sprachlernwissen besitzen, das ihnen beim Erlernen des Spanischen von Nutzen sein kann. Auch sind sie es bereits gewohnt, kommunikativ zu arbeiten. Ansätze, die dieses Vorwissen aufgreifen, nehmen oft auf dem Weg der Mehrsprachigkeitsdidaktik die rezeptive Lesekompetenz in den Blick. Für die Schüler*innen ist es meist motivierend, sich gleich zu Beginn ein Plakat, Hinweisschilder oder auch einen einfachen Text in der Fremdsprache selbst zu erschließen.

Hier möchte ich zeigen, dass über das Leseverstehen hinaus eine anspruchsvollere produktive Sprachhandlung, nämlich das Schreiben eines Briefs, durchaus bereits in der ersten Spanischstunde möglich ist. Die Schüler*innen erwerben zunächst erste Kenntnisse des Spanischen, arbeiten kooperativ und setzen dabei ihr Vorwissen sowie Erschließungsstrategien ein; außerdem arbeiten sie kompetenzorientiert auf eine authentische Kommunikation hin und erleben, dass sie bereits ein höheres Sprachlernniveau erreicht haben, und schon in der ersten Stunde sinnvoll miteinander kommunizieren und sich so auch besser kennenlernen können.

Lernen am Beispiel

Eine Voraussetzung der Sprachproduktion ist zunächst ein gewisser Input aus dem die Schüler*innen das sprachliche Material schöpfen können. In diesem Fall ist es ein Brief des fiktiven spanischen Jugendlichen Roberto, der zunächst gelesen und dann in mehreren Schritten bearbeitet wird. Zuerst werden „Verstehensinseln“ gebildet und der Inhalt soweit wie möglich aus bekannten Sprachen, sowie aus dem Kontext abgeleitet. Die Partnerarbeit im zweiten Schritt hilft dabei, kooperativ Hypothesen zu überprüfen und Lücken zu schließen. Lernschnellere Schüler*innen können schon damit beginnen, erste Grammatikregeln herzuleiten (s. Arbeitsblatt). Noch offene Fragen werden in der anschließenden Besprechung beantwortet. Zusätzlich lernen die Schüler*innen erste Konventionen des Schreibens (Anrede und Verabschiedung) kennen.

So sieht das Arbeitsblatt aus. Unten kann es als Word-Dokument heruntergeladen werden.

Verfassen der Briefe

Brief und Arbeitsblatt werden den Schüler*innenn direkt zugeteilt, ich schreibe ihren Namen in die Anrede, und auch den Namen der Person, an die sie selbst einen Brief schreiben sollen. Dabei bilde ich klassenübergreifende Paare. Auf der Grundlage der Strukturen und des Vokabulars des ersten Briefs verfassen sie nun ihre eigenen, in welchem sie sich selbst vorstellen. Die vorgegebenen Strukturen ermöglichen ihnen bereits eine größere Spannbreite an Ausdrucksmöglichkeiten: Name und Wohnort, Geschwister, Haustiere, Hobbies, Fernsehserien, Pläne (quiero …), Vorlieben und Abneigungen (me gusta / no me gusta). Die Verbformen werden – abgesehen von der Endung –o – nicht weiter analysiert, sondern genauso übernommen, so dass auch Verben mit Diphtongierung oder unregelmäßigen Konjugationen kein Problem darstellen. Unterstützung wird sicherlich bei der Nennung weiterer Hobbies und Haustiere benötigt werden. Hier kann entweder eine Liste zur Auswahl vorgegeben, die Arbeit mit dem Wörterbuch begonnen oder durch Nachfragen bei mir ausgeholfen werden. Während die beiden ersten Möglichkeiten das selbständige Arbeiten unterstützen, besteht bei der zweiten und dritten Variante die Möglichkeit, die erfragten Ausdrücke an der Tafel zu sammeln und so den Grundstein für eine klassenspezifische Vokabelsammlung zu legen. Die Struktur „Quiero aprender a __________ (mejor __________)“ ist herausfordender und kann im Sinne der Binnendifferenzierung von stärkeren Schüler*innenn verwendet werden.

Weiterarbeit

Die Briefe werden „zugestellt“, d.h. in einen Umschlag gesteckt und übergeben oder auch einfach ausgetauscht. Die Schüler*innen lesen ihren Brief. Hieran können sich unterschiedliche Formen der Weiterarbeit anschließen. Wenn noch Zeit ist, treffen sich die Paare, die sich gegenseitig geschrieben haben, zu einem kurzen Gespräch und unterhalten sich (auf Deutsch) weiter über ihre Hobbies. Dies dient dann vor allem dem gegenseitigen Kennenlernen. In der nächsten Stunde ist eine Weiterarbeit mit den Briefen möglich: 1) Die Schüler*innen wiederholen die Strukturen indem sie sich, jetzt mündlich, selbst noch einmal anderen vorstellen. 2) Die dritte Person wird eingeführt: se llama, tiene, le gusta, die Paare stellen sich dann gegenseitig einem anderen Paar vor. Auf diese Weise werden auch die ersten Stunden der Arbeit mit dem Lehrbuch vorentlastet.

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Vokabellernen lernen

Es steht außer Frage, dass Vokabeln die Grundbausteine für jede sprachliche Äußerung sind. Wenn ich mich verständigen will brauche ich die Wörter für alles, auf das ich nicht direkt zeigen kann; und auch um etwas zu umschreiben, geht das nicht ohne einen ausreichenden Wortschatz. Weder Lese- noch Hörverstehen funktionieren, wenn zu viele Wörter nicht bekannt sind. Je umfangreicher und sicherer der Wortschatz einer Person ist, desto besser kommt sie in der Fremdsprache zurecht – selbst wenn grammatische Strukturen noch etwas „wackeln“. Umgekehrt ist es für Schüler*innen, die wenig Wortschatz besitzen, sehr frustierend, in der neuen Fremdsprache „abgehängt“ zu sein.

Bei der Arbeit mit dem Lehrbuch stelle ich die Vokabeln daher immer an den Anfang: Sobald sie eingeführt wurden, oft in Verbindung mit dem Lektionstext, sollen die Schüler*innen sie zu Hause lernen. Das entlastet sie in den nächsten Stunden, weil dieselben Ausdrücke in den Übungen und kommunikativen Anlässen immer wieder vorkommen. Die Schüler*innen müssen dann nicht dauernd nach Wörtern suchen, können sich auf andere Aspekte konzentrieren und wiederholen das Vokabular dabei so oft, dass sie es am Schluss – z.B. zur nächsten Klassenarbeit – auch ohne viel mühsames Wiederholen gut beherrschen. Weil Vokabellernen aber nicht sehr beliebt ist, soll es so stattfinden, dass der Einsatz sich auch lohnt.

Im Laufe der Jahre habe ich allerdings festgestellt, dass es wirklich kein System gibt, das für alle Schüler*innen das Beste ist: Ich habe liebevoll über mehrere Jahre hingweg geführte, mehrspaltige Vokabelhefte gesehen, genauso wie Schmierzettel in den Vokabelseiten des Buchs. Beides kann zum Erfolg führen. Nicht sinnvoll sind widerwillig geführte zweisprachige Listen, vor allem wenn irgendwann die Zeilen verrutschen und das deutsche und das fremdsprachige Wort nicht mehr zusammenpassen … Ich selbst habe als Schülerin einen Karteikasten mit Latein-Vokabelkarten geführt, der mich bis in die 10. Klasse begleitet hat, und bin ansonsten ein Fan der Methode „Zuhalten (der fremdsprachigen Vokabeln) und Abschreiben“ – also eher die Schmierzettelfraktion.

Wie sie die Vokabeln lernen überlasse ich den Schüler*innen daher selbst, thematisiere aber vorher verschiedene Möglichkeiten. Dazu nutze ich gegen Ende der ersten Einheit eine Doppelstunde: Ich frage sie nach ihren bisherigen Erfahrungen (Spanisch ist an meiner Schule die dritte Fremdsprache.) Dann wiederholen sie die bisher gelernten Vokabeln anhand eines Lernzirkels, in dem verschiedene Lernformen vorkommen. Abschließend besprechen wir ihre Erfahrungen, welche Methode neu für sie war, was sie nützlich fanden, etc. Der angenehme Nebeneffekt ist, dass die Vokabeln in der ersten Arbeit meist wirklich gut sitzen.

Ein Vorschaubild des Lernzirkels: 7 Seiten mit den einzelnen Stationen
Lernzirkel „Vokabeln lernen“

Der Lernzirkel wird in Kleingruppen durchgeführt, die Reihenfolge der Stationen ist dabei egal. Die Schüler*innen können einzelne Stationen auch digital, z.B. auf dem Tablet und mit Stift bearbeiten, auch eine Vokabel-App wird vorgestellt. Genutzt werden kann, was immer funktioniert.

Hier geht es zum Lernzirkel als Word-Dokument, das sich auf die Unidad (oder Lesson oder … ) 1 des jeweiligen Lehrwerks anpassen lässt:

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Mit dem selbsterstellten Sprachführer unterwegs in Madrid

In einem handlungs- und kommunikationsorientierten Fremdsprachenunterricht steht die Anwendung der Sprache in einer möglichst authentischen Kommunikation im Vordergrund. Die Einschränkung „möglichst“ verweist dabei auf ein grundlegendes Problem des schulischen Unterrichts: Zwar gibt es „echte“ Sprechanlässe, wenn die Schüler*innen beispielsweise über sich selbst sprechen oder etwas präsentieren, aber oft müssen Situationen simuliert werden. Das gilt zum Beispiel für alle Situationen, die zwar Alltag sind, aber nur im entsprechenden Sprachraum in der Fremdsprache stattfinden: etwas einkaufen, Dialoge mit Gasteltern führen, uvm. Es ist sinnvoll zu lernen, wie diese Situationen sprachlich bewältigt werden können, und es ist auch nicht unrealistisch, dass Schüler*innen im nächsten Urlaub diese Kenntnisse anwenden können; im Unterricht müssen sie aber erst einmal künstlich nachgestellt werden. Dabei finde ich es immer wieder erstaunlich, wie bereitwillig sich die Schüler*innen auf die unterschiedlichsten Sprechanlässe einlassen.

Echte Gespräche führen

Diese Ansätze finde ich hilfreich, damit auch diese Gespräche mit Interesse geführt werden: Die Situation wird von vornherein als Rollenspiel konzipiert, in dem die Rollen entweder sehr schülernah oder sehr interessant sein müssen, damit die Schüler*innen sich damit identifizieren können und auch Interesse an der Situation entwickeln: Sie führen z.B. ein Gespräch zwischen Charakteren einer Sitcom über ein gemeinsames Abendessen, die Einrichtung der WG o.ä. Oder sie entwerfen ein Konzept für die Schulcafeteria oder bewerben sich mit Informationen über unsere Schule für einen Schüleraustausch bewerben. Schließlich verwende ich nach Möglichkeit Realia um die Situation realitätsnaher wirken zu lassen.

Konversationen werden auch authentischer, wenn der Austausch wirklich notwendig ist. So ist es besser, wenn nicht alle alle Informationen bereits haben, sondern sie von den Gesprächspartnern benötigen. Gespräche sollten zudem ein Ziel haben: Mit allem Notwendigen für ein Klassenfrühstück ausgerüstet zu sein, einen gemeinsamen Termin zu finden … Auch das trägt dazu bei, dass wirklich Gespräche in der Fremdsprache geführt und nicht im Wechsel Sätze gesprochen werden.

Die nächste Herausforderung besteht darin, einen Mittelweg zwischen vorgegebenen sprachlichen Strukturen und einer freien Gesprächsgestaltung zu finden. In einem Rollenspiel „En la panadería“ sollte schon die Frage nach dem Preis und eine Angabe, wieviel man kaufen möchte vorkommen – wenn die einzige Variationsmöglichkeit aber ist, ob ich 5 Brötchen oder zwei Baguettes kaufe, wird das Gespräch schnell langweilig. Interessanter wird es schon, wenn ich ein unvorhergesehenes Problem einbaue (Ya no hay ensaimadas), so dass die Schüler*innen über Alternativen sprechen müssen.

Der selbst erstellte Sprachführer

Eine Unterrichtseinheit, in der viel Simulation nötig ist, ist das Thema „Ich als Tourist*in in einer spanischen oder lateinamerikansichen Stadt“ – Fragen nach dem Weg, nach Sehenswürdigkeiten, Zurechtfinden in der U-Bahn – und das alles mit den notwendigen sprachlichen Mitteln. In dem Lehrwerk, das wir an meiner Schule verwenden, kommt das in einer Einheit über Madrid vor. Ich möchte also, dass meine Klasse lernt, sich in Madrid zu bewegen, dort interessante Orte zu finden und verschiedene „touristische“ Gesprächssituationen zu bewältigen. Um die Stadt kennenzulernen, habe ich dank Internet viele mediale Möglichkeiten, von touristischen Informationen zu Blogs von madrileños über ihren Alltag. Als Abschluss der Unidad möchte ich, dass meine Klasse Gesprächssituationen einübt, die sie als Tourist*innen erleben könnten.

Die sprachlichen Mittel, die in der Lektion vorkommen, und auch eigene Ergänzungen sammeln wir dazu in einem Sprachführer. Wenn er gelungen ist, hilft er in allen Situationen weiter. Die Schüler*innen müssen also überlegen, was sie in den jeweiligen Situationen an Redemitteln brauchen werden. Da man im echten Leben eigentlich nie mit einer langen Wortliste unterwegs ist, und auch weil ein bisschen Basteln auch in der Mittelstufe noch Spaß macht, gestalten wir diesen Sprachführer als Buddy Book, also ein kleines Buch, das aus einem DinA4-Blatt gefaltet wird. Die Vorlage als Word-Dokument lässt sich sowohl handschriftlich als auch am Computer ausfüllen. Dieser Sprachführer wird im Verlauf der Einheit erstellt, und am Schluss um Themen, die bereits früher behandelt wurden und hier wieder gebraucht werden, wie z.B. Einkaufen und Pläne machen, ergänzt.

So sieht die Vorlage aus …
Foto eines Buddy Books mit Bild und Schriftzug von madrid.
… und so ein fertiges Buch.

Virtueller Madrid-Aufenthalt

Mit diesem Sprachführer begeben sich die Schüler*innen auf eine virtuelle Madrid-Reise, in Form eines Stationlernens: zu verschiedenen Stationen (In der Touristeninformationen, In der U-Bahn) müssen sie Erkundigungen einholen und sich über etwas einigen (Was möchten wir uns ansehen? Nehmen wir die U-Bahn oder gehen wir zu Fuß?). In den letzten Jahren habe ich die Stationen im Klassenzimmer aufgebaut und mit Stadtplänen, Event-Kalendern usw. gestaltet. Mit QR-Codes oder bereitgestellten Tablets können auch Online-Inhalte hinzugenommen werden. Die Schüler*innen verfolgen die Wegbeschreibung dann z.B. nicht mehr über einen Stadtplan, sondern in Google Street View.

In diesem Jahr habe ich für die unvorhersehbaren und dauernd wechselnden Bedingungen (Klasse mal da, mal nicht, mal teilweise) eine digitale Lösung gesucht und in Form von TaskCards (www.taskcards.de) gefunden. TaskCards stellt virtuelle Pinnwände zur Verfügung, in die ich die Aufgaben und Arbeitsanweisungen einfügen, die Seiten mit den Informationen verlinken und außerdem auch Videokonferenzen erstellen kann, in denen die Schüler in Gruppen zusammenarbeiten und ihre Dialoge umsetzen. So können alle von zu Hause aus zusammenarbeiten, aber auch gemischte Gruppen, teils zu Hause und teils in Präsenz sind möglich. So sieht meine TaskCard Pinnwand aus:

Bild einer Pinnwand in Taskcards mit Stationen zu einem Besuch in Madrid
Stationen mit Aufträgen und Videokonferenzen in TaskCards.

Durch einen Klick auf das Bild gelangt man direkt zur Pinnwand (da öffentlich ohne die Videokonferenzen), die gern auch übernommen werden darf.

Da ich auch über meine punktuellen Eindrücke bei Besuchen in dern Videokonferenzen hinaus hören möchte, was bei der Arbeit der Schüler*innen herausgekommen ist, gibt es eine gemeinsame Abschlussaufgabe, nämlich in einem Marktplatz von den vergangenen Tagen zu berichten. In der Unidad wurde das perfecto compuesto eingeführt, daher findet dieser Austausch noch vor der Rückreise am Flughafen statt.

Links:

Vorlage und Beschreibung der Methode Buddy Book: https://unterrichten.zum.de/wiki/Buddy_Book

Die Vorlage als Word-Dokument: https://hoytengoclase.com/wp-content/uploads/2021/04/guia-1.docx

TaskCards: Un paseo por Madrid: https://www.taskcards.de/#/dashboards/7b06afcf-6e7c-482a-b8c5-6933e489adab?token=7e7c6c6a-1bda-4d32-a091-6de33ea93117

Eine TaskCard Pinnwand mit Informationen zu TaskCards von @der_steh: https://www.taskcards.de/#/dashboards/4637e20c-2b1c-4df1-a8a7-0c77743f41ff

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Infografiken als Schüler*innenprodukt

Eine Projektaufgabe für Schüler*innen, die sich vom ersten Lernjahr bis zum Abitur einsetzen lässt, ist die Gestaltung von Infografiken. In diesem Beispiel erstellen die Schüler*innen im ersten Lernjahr Infografiken zu traditionellen Gerichten.

Infografiken stellen thematische Zusammenhänge visuell dar, wobei Bilder, graphische Elemente und Text verwendet werden. Dabei werden die Informationen durch die Zusammenfassung in einer Darstellung verdichtet, sie werden durch die Anordnung und graphische Elemente strukturiert und sie werden durch die Text-Bild-Kombination veranschaulicht. Infografiken zeigen also „auf einen Blick“ was es Wichtiges zu einem Thema zu sagen gibt – allerdings muss man schon genauer hinsehen, um alle Informationen zu entnehmen und sich innerhalb der Grafik zu orientieren.

Warum Infografiken im Sprachunterricht? Infografiken sind ansprechend. Die Schüler*innen müssen ein Thema inhaltlich und sprachlich so gut aufbereiten, dass sie es in einer Grafik darstellen können. Sie müssen sich eine sinnvolle Struktur für die Darstellung suchen (Zeitleiste, Pro-Kontra-Spalten, Bedingung-Konsequenz …) und ihren Text mit Bildelementen verbinden. Dadurch vernetzt sich das Gelernte, so dass sie es besser behalten. Von gut gestalteten Infografiken profitieren auch die Mitschüler*innen, und schließlich können sie später zur Wiederholung genutzt werden.

Wie gehe ich vor?

Wenn die Schüler*innen zum ersten Mal mit Infografiken arbeiten, lohnt es sich, erst ein paar Beispiele zu analysieren: Welche Elemente gehören in eine Infografik? Wie hängen sie miteinander zusammen? Was sind Kennzeichen einer gelungenen Infografik? Eine gute Infografik enthält alle relevanten Informationen, ist übersichtlich und ansprechend gestaltet. Graphische Elemente sind nicht reine Dekoration sondern haben eine Funktion. Infografiken zur Analyse stehen unter Umständen im Lehrbuch, viele finde ich aber vor allem im Internet, für die Sekundarstufe I z.B. hier:  https://www.liveworksheets.com. Für die Kursstufe nutze ich gern die Infografiken aus El Pais, die allerdings oft hinter der Bezahlschranke stehen.

Bei allen Schreib- oder Storrytelling-Aufgaben brauchen die Schüler*innen Zeit, sich vorzubereiten und die Inhalte und die sprachlichen Mittel zu sammeln. Da die Infografik eine abschließende Aufgabe ist, wurde in der Einheit bereits vorgerarbeitet, so dass sie nur noch in Hinblick auf ihr Produkt ergänzen müssen. Trotzdem lasse ich sie immer gemeinsam Informationen und Redemittel zusammenstellen, damit alle einen breiten Fundus zur Verfügung haben.

Die Infografiken können allein oder in Kleingruppen erstellt werden, das hängt davon ab, ob etwas Individuelles vorgestellt (z.B. ein Hobby) oder ein komplexeres Thema aufgearbeitet werden soll. Für die Erstellung gibt es unterschiedliche Programme: Sie können mit Vorlagen (plantillas) oder mit freien graphischen Elementen arbeiten. Ich nehme zur Erstellung Power Point, genau so gut geht es mit Keynotes, Canva oder Online-Tools extra für Infografiken, wie Easel.ly.

Die fertigen Infografiken werden präsentiert (z.B. als Gallery Walk), also wieder versprachlicht, und der Klasse zur Verfügung gestellt.

Die Aufgabe: Un plato especial

Ein klassisches Thema des ersten Lernjahrs in Spanisch ist „Essen“. Im Lektionstext werden typische Gericht präsentiert, meist ergänzt um einer Liste weiterer Lebensmittel. Gerade letztere ist mühsam zu lernen, und nur sinnvoll, wenn die einzelnen Vokabeln auch wieder kommunikativ verwendet werden. Über Essen kann man aber auch viel Interessantes sprechen: Lieblingsessen, Traditionen (kulturelle oder familiäre), verhasste Lebensmittel, Essen im Urlaub, gesundes Essen …

Da die Schüler*innen in der Aufgabe u.a. ein Kochrezept vorstellen sollen und dafür spezielles Vokabular brauchen, nehme ich auch eines als Ausgangspunkt, z.B. dieses für Tortilla de patatas: https://pin.it/2jbU3sO.

Bei der Aufgabe geht es dann um ein selbstgewähltes, traditionelles Gericht, das für die einzelnen Schüler*innen eine besondere Bedeutung hat:

Prepara una infografía y presenta un plato que es especial para ti.
¿Qué necesitas? – la lista de ingredientes
¿Qué tienes que hacer? – 1. … 2. … 3. …
¿Por qué es especial para ti? ¿Por qué es especial para otros?
1. En grupo, apuntad palabras para preparar comida.
2. Prepara tu infografía.
3. Prepárate a presentar tu infografía a tus compañeros/as.  
Aufgabenstellung

Eine Anleitung zum Erstellen einer Infografik mit Power Point und die Kriterien stehen hier – als Infografik – auf Spanisch und auf Deutsch:

Im Grunde lässt sich jedes Thema in eine Infografik umsetzen. Leitfragen tragen dazu bei, dass die Informationen vielschichtiger werden. In einer Mediationsaufgabe kommen die Informationen aus einer anderen Sprache – z.B. Deutsch oder Englisch. Die Infografiken sollten immer präsentiert, also wieder ausführlicher versprachlicht werden – das kann auch per Screencast aufgenommen werden, so dass aus der Grafik ein Erklärfilm wird.

Nachtrag: Hier sind die beiden Infografiken auch mit druckfreundlicherem hellen Hintergrund:

Literatur:

Zur Nutzung von Infografiken im Fremdsprachenunterricht: Daniel Knippertz: Visualizing the American Dream, FU Englisch 157, S.40-45.

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Kooperatives Arbeiten mit „Flinga“

Tatsächlich gibt es inzwischen so viele unterschiedliche Anwendungen, dass man für jede Unterrichtsidee neu auswählen kann und sicher ein Tool entdeckt, mit dem es noch besser geht. Das macht auch Spaß, ist aber im Alltag nicht immer machbar, und auch die Schüler*innen müssen sich in jedes Tool neu einarbeiten. Daher versuche ich aus allem, was ich bereits eingeführt habe, so viel wie möglich „herauszuholen“. Mit Flinga lässt sich besonders gut kooperativ arbeiten, und ein paar Ideen für den Spanischunterricht möchte ich hier vorstellen.

Sehr gut gefällt mir, dass Flinga auf kollaboratives Arbeiten ausgelegt ist, und zwar sowohl synchron, also in einer Videokonferenz oder auch in Präsenz, als auch asynchron zu Hause. Es ist leicht zu bedienen, und die überschaubare Auswahl unterschiedlicher Farben und Formen lässt eine übersichtliche Darstellung ohne viel Aufwand zu. Kein „Brimborium“ also, aber das heißt natürlich auch, dass die Gestaltungsmöglichkeiten eingeschränkt sind – es ist eher ein Instrument zum Arbeiten als für eine Präsentation.

Zur Verfügung stehen zwei Formate: ein „Whiteboard“, auf dem Notizen in unterschiedlichen Formen, aber auch Text und Bilder eingefügt werden können, und in dem auch die Möglichkeit besteht, einfache Zeichnungen anzufertigen, sowie eine „Wall“, an der die Beiträge entweder als Kästchen oder als Liste eingetragen werden, und auch mit Likes markiert werden können.

Ideen sammeln und strukturieren

Erstes Lernjahr: Mi mundo – einen Monolog oder Blogeintrag vorbereiten

Die Schüler*innen haben gelernt ihre Familien und Freunde vorzustellen, von ihren Hobbies zu erzählen und ihr Zimmer zu beschreiben. In der Abschlussaufgabe stellen sie sich in einem Blogbeitrag, einer Email an eine fiktive Brieffreundin oder in einem Podcast vor. Dazu sammeln sie einige Minuten lang in Gruppen auf dem Whiteboard das bekannte und weiteres Vokabular, strukturieren es und nutzen es als Basis für ihre Arbeiten. Das gemeinsame Brainstorming ist eine Wiederholung für alle und geht schneller von der Hand, als zu Hause allein das Vokabular zusammensuchen zu müssen. Zugleich haben alle eine breite Grundlage für die Aufgabe.

Flinga Sammlung Mi Mundo
Arbeitsauftrag
Präsentation Spanisch Ausdrücke ungeordnet
Brainstorming (in Auszügen)
Präsentation Spanisch Audrücke sortiert
Die Ausdrücke werden sortiert.

Kursstufe: Präsentationen zu «protestas juveniles»

In der Kursstufe bearbeiten die Schüler*innen häufig Themen, die exemplarisch für die Situation in Lateinamerika oder Spanien (oder in der Welt) sind, in Gruppenarbeiten mit selbstgewähltem Schwerpunkt. So ein Thema sind Jugendproteste: Ob in Chile Schüler und Studenten gegen das ungerechte Bildungssystem protestieren, in Spanien junge Menschen gegen die Verhaftung des Rappers Pablo Hásel oder überall auf der Welt Schüler*innen für das Klima demonstrieren – in jedem Fall geht es darum Motive und Formen der Proteste zu analysieren und in einen größeren Kontext zu setzen, sprachliche Mittel zu ihrer Beschreibung und Analyse zu erwerben und auch die eigene Position zu reflektieren.

Hier wurde das Flinga-Board genutzt um zu Hause leitfragengestützt im Internet zum Thema «protestas juveniles» zu recherchieren und Basisinformationen und Quellen im Board zu sammeln. So entstand schnell ein Überblick über Protestbewegungen in der spanischsprachigen Welt, bei dem die Schüler*innen durch die Ideen und Funde der Mitschüler*innen neue Anregungen erhielten. In der nächsten Stunde fanden sich Gruppen, die Präsentationen zu Unterthemen erarbeiteten. Im Anschluss an die Präsentationen wurden Gemeinsamkeiten und Unterschiede erarbeitet, und über die Berechtigung der Proteste und Protestformen diskutiert.

Flinga Recherche Protestas juveniles
Brainstorming und Gruppeneinteilung

Torbellino de revisión

Im Gegensatz zum Brainstorming vor einer Aufgabe sammeln die Schüler*innen hier, was sie in der letzten Unidad gelernt haben. Sie können Themenfelder (pasatiempos), Grammatik (conjugar los verbos en presente) oder Kompetenzen (escribir un email) eintragen. Dabei sollen immer auch Beispiele angegeben werden. Auch hier folgt auf das Brainstorming das Strukturieren nach Themenfeldern – schon dabei wird das Gelernte wiederholt und vernetzt. Dann benennen die Schüler*innen einen Themenbereich, in dem sie sich am sichersten fühlen und für den sie – u.U. mit anderen – als Expert*innen zur Verfügung stehen, und einen, in dem sie sich verbessern möchten, und den sie sich daher von den Expert*innen erklären lassen. Dabei ist es durchaus möglich, dass sich die Rollen während der Erläuterung umdrehen, weil die nachfragende Person doch etwas besser weiß als die erklärende. Trotzdem sollten alle Schüler*innen die Möglichkeit haben, einen Aspekt zu erklären und sich darin so sicherer zu werden.

Mit Literatur arbeiten

Bei der Besprechung einer Lektüre ist es zentral, eigene Eindrücke mit denen der Mitschüler*innen zu vergleichen. Dies lässt sich kollaborativ umsetzen, indem die Schüler*innen gemeinsam einen Aspekt der Lektüre darstellen – direkt oder nach eigener Vorarbeit.

Eine Spannungskurve erstellen (hier zu dem Roman „Abdel“ von Enrique Paez):

Spannungskurve „Abdel“

Personenkonstellationen herausarbeiten und im Verlauf der Lektüre überarbeiten:

Personenkonstellationen sind ein einfacher Einstieg, um die Struktur eines Romans zu entschlüsseln. Da die Personen und ihre Beziehungen untereinander eine Entwicklung durchmachen, kann man sie im Verlauf der Lektüre immer wieder anpassen. Auch eine zweite Ebene, nämlich die ihrer Funktion im Roman, kann so dargestellt werden. Die unterschiedlichen Darstellungen mehrerer Gruppen werden verglichen und jeweils begründet.

Personenkonstellation „Abdel“, Auszug

Vergleichen und ein Ranking erstellen

Sprachliche Lösungen vergleichen

Hier sollten Schüler*innen gegen Ende des ersten Lernjahres von einem Tag in Mexiko aus einer anderen Perspektive erzählen. Die Schüler*innen geben ihre Lösungen in eigene Felder ein, die untereinander dargestellt werden. Die Eingabe ist anonym, d.h. auch bei Kritik ist nicht zu erkennen, wessen Lösung sie trifft.

Verschiedene Lösung: El email de Rafa

Durch die übersichtliche Darstellung können die Schüler*innen die unterschiedlichen Lösungen einfach vergleichen. Zuerst werden Fehler korrigiert, und im Anschluss wird die Bewertung begründet, also überlegt, worin sich die besseren Lösungen von den anderen unterscheiden (ausführlichere und chronologische Darstellung, etc.). Weil so auch deutlich wird, dass es oft mehrere gelungene Lösungen gibt, setzte ich dieses Format auch bei Mediationsaufgaben gern ein.

Natürlich kann man nicht nur sprachliche Varianten vergleichen. Genauso gehe ich vor, um z.B. Lösungen für ein Problem zu vergleichen (¿Empollar o practicar para la competición del pádel? ¿Qué le aconsejas a Diego?), mögliche Enden für eine Erzählung zu finden, oder das ideale Geburtstagsgeschenk für eine Lehrbuchperson auszusuchen (Marta es deportista y le importa el medio ambiente. Por eso un bueno regalo para ella es …). Auf die „Likes“ folgen immer Begründung und Diskussion.

Weitere Ideen

  • Texte rekonstruieren: Den Text auf mehrere Blöcke verteilen und auf dem Whiteboard wieder richtig anordnen lassen.
  • Text und Bild zuordnen – das beste Bild zur Illustration eines Textbausteins wählen
  • Placemat-Methode: Das Board mit der Zeichnen-Funktion vorstrukturieren und als Placemat nutzen

Ob ich dafür Flinga oder ein anderes Tool nutze hängt auch davon ab, wie viel Austausch unter den Schüler*innen entsteht: Für eine einfache Aufgabe mit eindeutigen Lösungen würde ich vielleicht eher eine Anwendung nehmen, bei der es eine automatische Rückmeldung gibt, aber wenn mehrere Varianten möglich sind, sind Diskussionen möglich und erwünscht. Um die Einsprachigkeit zu unterstützen, füge ich neben der Aufgabenstellung ein andamio ein.

Technisches

Flinga ist browserbasiert, d.h. man braucht keine App, sondern kann online auf die Boards zugreifen. Dabei muss nur die erstellende Person ein Konto haben, und kann weitere Personen per Sitzungscode, Link oder QR-Code (alles in der Menüleiste am linken Bildschirmrand) zur Mitarbeit einladen. In der kostenlosen Version hat man 5 Sitzungen zur Verfügung – wenn man mehr braucht, muss eine alte gelöscht werden.

Die Teilnehmerrechte können der Lerngruppe angepasst werden: Schüler*innen können alles, nur von der Klasse oder Gruppe, oder sogar nur von ihnen selbst Erstelltes verändern oder löschen.

Da Flinga zudem sehr datensparsam arbeitet und seit März dieses Jahres laut https://datenschutz-schule.info/tag/flinga/ auch auf den Einsatz von Google-Analytics verzichtet, ist das Arbeiten mit Schüler*innen datenschutzrechtlich weitgehend unproblematisch. Natürlich dürfen keinesfalls personenbezogenen Daten eingetragen werden.

Wie komme ich dahin? https://flinga.fi

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Vom Korrekturmarathon zum formativen Feedback

Wahrscheinlich werden sich viele von uns an Corona als an die Zeit endlosen Korrigierens erinnern, oft noch spät am Abend und womöglich mit einem leisen Zweifel an der Sinnhaftigkeit. Lernen die Schüler*innen wirklich mehr, wenn wir alle ihre Arbeiten korrigieren? Andererseits scheint uns der Fernunterricht keine andere Möglichkeit zu lassen, oder? Schließlich können wir die Aufgaben nicht im Klassenraum gemeinsam besprechen. Hier sind ein paar Überlegungen und Anregungen zu Korrigieren und Feedback.

Warum Feedback?

Konstruktives Feedback gehört unbedingt dazu, damit Fernunterricht (und Unterricht überhaupt) gelingen kann: Aus Schüler*innensicht dient Feedback der Motivation, indem das Geleistete überhaupt erst einmal wahrgenommen und gewürdigt wird. Allein Aufgaben zu erledigen, ohne dass diese wirklich wahrgenommen werden, ist für die meisten Menschen demotivierend, und für Kinder und Jugendliche noch viel mehr. Feedback dient der Orientierung: Für alle, denn es beinhaltet auch eine Ergebnissicherung. Und individuell: Habe ich das richtig gemacht? Den Erwartungen entsprochen? Wo stehe ich jetzt und wie kann ich mich verbessern? Feedback ist in diesem Sinne auch eine Hilfestellung: Ich erfahre, wie ich weitermachen kann, wenn ich irgendwo „steckengeblieben“ bin.

Aus Lehrer*innensicht setzt Feedback immer voraus, dass ich zunächst intensiver mit den Arbeiten der Schüler*innen beschäftige. Das kann schnell zu einer ausufernden Korrektursitzung geraten, muss es aber nicht immer und sollte es vor allem auch nicht ausschließlich – ich möchte schließlich nicht nur sehen, was die Schüler*innen falsch gemacht haben, sondern ihre Leistung und ihren Lernstand einschätzen. Dazu brauche ich Kriterien, von denen „richtig oder falsch“ nur eins unter mehreren ist. Auf dieser Grundlage kann ich Feedback geben, das den Schüler*innen tatsächlich hilft.

Ein paar Feedbackregeln, die sich für mich bewährt haben:

Wie schon gesagt sollte Feedback kriteriengestützt sein. Wenn die Schüler*innen etwas erarbeiten, gebe ich Kriterien für ein gelungenes Ergebnis dazu, oder erarbeite sie mit ihnen gemeinsam. Eine Grundmatrix sieht dann z.B. so aus und wird auf die Klasse und die Aufgabe angepasst und konkretisiert:

Für eine Beschreibung des eigenen Zimmers im ersten Lernjahr sieht das dann z.B. so aus:

Für eine E-Mail kämen Textsortenmerkmale hinzu, für einen Textkommentar in der Oberstufe Konnektoren und Struktur und für ein Erklärvideo auch noch die Darstellung. Auf diese Weise kann ich zurückmelden, was gut gemacht wurde und wo noch Raum für Verbesserung ist.

Die Kriterien sollten bei Aufgabenstellung schon bekannt sein. Ich kann sie auch mit der Klasse gemeinsam erarbeiten und die Schüler*innen über eine Gewichtung entscheiden lassen. Wenn „buen vocabulario“ oder gar „vocabulario interesante“ einmal wichtiger ist als „Hay pocos errores.“ lohnt es sich plötzlich auch schwierigere Wörter und Ausdrücke in einem Text unterzubringen. Die Kriterien wirken dabei als „Feed Forward“ – also eine Leistungserwartung an der die Schüler*innen sich bei der Erarbeitung messen können.

Ich versuche möglichst formatives Feedback zu geben. Das bedeutet, dass die Schüler*innen ihre Texte noch einmal überarbeiten, bevor sie endgültig präsentiert werden, sie also die Möglichkeit haben, das Feedback einzuarbeiten. Ich kann z.B. die Zimmerbeschreibung lesen und dazu Feedback geben (Kriterien 1 und 2); bis zur nächsten gemeinsamen Stunde oder Videokonferenz werden sie überarbeitet und dann den Mitschüler*innen vorgestellt. Auf diese Weise lohnt sich eine Überarbeitung, da der Text danach nicht in der Schublade verschwindet, und jede*r hat die Chance, ein besseres Ergebnis zu zeigen. Außerdem muss ich mich dann nicht fragen, was eigentlich mit meiner Rückmeldung passiert.

Etwas anderes ist es, wenn ich Feedback gebe, um sicherzustellen, dass etwas von allen verstanden wurde – z.B. die Bildung des indefinido. Dann lasse ich mir eine kurze Übung schicken, anhand derer ich das sehen kann oder führe ein Quiz durch, und weiß anschließend, ob und wem ich noch etwas erklären muss.

Peer-Feedback lohnt sich vor allem, wenn es etabliert ist, wenn die Schüler*innen wissen, worauf sie achten sollen, und wenn es nicht überstrapaziert wird. Fragen wie: Kann ich verstehen was A schreibt? Finde ich es anschaulich? Könnte man noch etwas ergänzen? sind zielführender als die allgemeine Anweisung die Arbeit zu korrigieren. Wenn Fehler korrigiert werden sollen, dann mache ich genauere Vorgaben, damit die Schüler*innen gezielt vorgehen können: Sind die Adjektive angeglichen? Stimmen die subjuntivo-Formen? Eine Aufgabe beim Peer-Feedback lautet auch immer: „Apunta una expresión que te gusta.“ Auf diese Weise wird auch hier immer etwas Konkretes positiv zurückgemeldet, und die Schüler*innen können voneinander profitieren. Ich setzte es in jedem Fall gezielt ein, da auch Schüler*innen gar nicht so gern korrigieren.

Und wann mache ich das alles?

Kriteriengestütztes Feedback ist nicht nur lernwirksamer, sondern mithilfe von Rastern in den meisten Fällen auch schnell durchzuführen. Nur wenn ich sehe, dass jemand so gar nicht mit der Aufgabe zurecht kam oder auch etwas ganz Besonderes geleistet hat, frage ich nach, bzw. hebe das extra hervor.

Was ich nicht mache: Alle Übungen aller Schüler*innen durchzusehen. Damit meine ich Übungen, die der Festigung von Strukturen dienen, wie Lückentexte oder Umformübungen, Multiple-Choice Aufgaben zur Wissensüberprüfung u.ä. Wenn ich weiß, dass die Schüler*innen das Prinzip verstanden haben, gebe ich Ihnen Musterlösungen oder verwende Aufgaben aus learningapps.org, quizacademy.de, quizizz.com u.ä., bei denen die Überprüfung bereits integriert ist. Wenn ich kontrollieren möchte, ob die Schüler*innen damit arbeiten, kann ich in allen drei Apps Klassen anlegen und den Fortschritt überprüfen – tatsächlich mache ich das fast nie.

Außerdem:

Feedback wenn wir uns wiedersehen: Überhaupt kann ich viel Feedback in die nächste gemeinsame Sitzung verlegen, wenn die Arbeit zu Hause der Vorbereitung einer Stunde durch die Schüler*innen dient: ein Rollenspiel, einen Dialog, eine Bildbeschreibung werden zu Hause vorbereitet und in der Stunde durchgeführt. Dabei brauchen die Schüler*innen die Vergangenheitszeiten, die neuen Vokabeln, Strukturvokabular …

Feedback für Gruppenarbeiten: Kollaborative Dokumente gehören inzwischen zu meinen Lieblingstools: Ein gemeinsames Glossar zu Begriffen aus einem Video in einem ZUMPad, die Struktur für einen Textkommentar in flinga.fi – die ganze Klasse, oder auch einzelne Gruppen arbeiten hier zusammen und ich korrigiere das Ergebnis und mache Anmerkungen. Im Präsenzunterricht erarbeiten wir das Tafelbild ja auch gemeinsam. Und 5 Erklärvideos sind schneller und einfacher evaluiert als 25 Aufsätze. Auch für letztere muss mal Zeit sein, aber nicht immer.

Und natürlich Feedback, wenn nötig: Wenn ich merke, dass einzelne Schüler*innen mehr Rückmeldung brauchen, und natürlich immer, wenn ich gefragt werde.

Also, so viel Korrektur wie nötig, so viel Feedback wie möglich. Hier noch einmal als Übersicht:

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El maravilloso país de las videoconferencias

Ich bin wirklich am liebsten in einem echten Raum mit meinen Schüler*innen – der lebendige Austausch, die direkte Rückmeldung, überhaupt der persönliche Kontakt sind das Abwechslungsreichste und Spannendste an meinem Beruf. Ich glaube, so geht es vielen von uns, und wir mussten alle feststellen, dass sich das genau so in Videokonferenzen nicht reproduzieren lässt. Es ist einfach nicht das Gleiche. Aber als nach dem ersten Lockdown der Unterricht unter Hygieneregeln wieder stattfand, war es auch nicht so erfreulich, wie ich es mir erhofft hatte: Keine Gruppenarbeiten, alle an festen Plätzen, Blick nach vorn – irgendwie ist lebendiger Unterricht anders. Und jetzt sind wir ja sowieso wieder im Distanzunterricht, d.h. auch im Land der Videokonferenzen.

Llegar y descubrir

Wenn ich in ein neues Land fahre, komme ich dort mit Erwartungen und Neugierde an und versuche, mich erst einmal zurechtzufinden, ein schönes Café zu finden, und einfach zu gucken was es dort zu entdecken gibt. Jetzt kommt auch noch die Anforderung hinzu, gleich meine Schüler*innen mitzunehmen. Also machen wir uns gemeinsam auf die Entdeckungsreise und die führt zu vielen neuen Einblicken.

Manches Gewohnte klappt im Land der Videokonferenzen nicht wirklich gut – so verliefen Gespräche im Plenum etwas zäh, wohl weil wir uns nicht sehen konnten. Dafür haben wir zahlreiche neue Möglichkeiten gefunden zu interagieren und zu lernen, und manches lässt sich sogar besser umsetzen als derzeit gemeinsam im Klassenraum: Bei Gruppenarbeiten hat man in den Gruppenräumen wirklich Ruhe und Partnerarbeiten und Murmelphasen sind wieder möglich, ohne dass man sich Gedanken um Aerosole und Abstände machen muss. Meine Lieblingsfeatures sind inzwischen daher die Gruppenräume, aber unbedingt auch der Mehrbenutzermodus, bei dem alle Teilnehmer*innen auf der Leinwand interagieren können.

Plano de la ciudad

Was für mich immer dabei sein soll: Beziehungsarbeit und Motivation, Aktivierung – v.a. viel Sprechaktivität der Schüler*innen – und Interaktion, also vor allem Austausch und die Möglichkeit Fragen zu stellen, d.h. in den Sitzungen soll vor allem das stattfinden, was beim selbständigen Arbeiten nicht so leicht möglich ist. Für mich habe ich eine Grundstruktur gefunden, die das ermöglicht, die ich je nach Ziel unterschiedlich fülle, und die ich natürlich immer anpassen, ummodeln und auch völlig über den Haufen werfen kann. Ziele können sein …

1. eine Aufgabe umzusetzen …

Am meisten sprechen meiner Erfahrung nach die Schüler*innen, wenn sie die Videokonferenzen bereits vorbereitet haben. Da ich oft mit dem Flipped Classroom arbeite, brauche ich nur eine kurze Aufwärmphase (encarrilamiento), eventuell etwas Zeit um Schwierigkeiten zu klären, und dann können die Schüler*innen ihre Aufgaben in Gruppenräumen umsetzten. Das Ziel der Arbeitsphase wird noch einmal kurz besprochen und die Schüler*innen erhalten Hilfsmittel, die sie nutzen können, d.h. vor allem expresiones útiles. Ich stehe derweil im Hauptraum für Fragen zur Verfügung, bzw. höre mich zwischendurch in den Gruppenräumen um. Die Stunde endet mit einer Abschlussrunde, einem Blitzlicht, einer kurzen Präsentation oder einem Best-of aus den Gruppenarbeiten.

2. zusammen zu üben …

An manchen Schulen ist es vorgeschrieben, den ganzen Stundenplan in Konferenzen zu spiegeln. Das finde ich persönlich schade, weil es den Freiraum für das selbständige Arbeiten einschränkt. Aber auch hier kann ich die Stunde so strukturieren, dass die Schüler*innen im eigenen Rhythmus arbeiten können und aktiv sind. Nach der Aufwärmphase erkläre ich das Ziel der Stunde und geben den Schüler*innen einen Arbeitsplan: z.B. ein Erklärvideo mit Aufgabenparcours, oder ein Audioinput zur Aussprache mit einer Lese-Aufgabe, etc. Die Aufgaben können individuell oder in Kleingruppen (in Gruppenräumen) bearbeitet werden. Der allgemeine Raum bleibt auf, so dass die Schüler*innen jederzeit Fragen stellen können. Zur Abschlussrunde kommen wieder alle zusammen.

3. … und alles andere

Schüler*innen können ihre Arbeiten präsentieren, mit einem Rückmeldeauftrag für die anderen. Konferenzen werden für Absprachen bei größeren Projekten genutzt. Und im Augenblick übt die Kursstufe für ihre Kommunikationsprüfung.

Y la lengua

Keine Reise ohne sprachliche Herausforderungen! Ich habe noch nie an Videokonferenzen mit spanischen Muttersprachler*innen teilgenommen, also fehlte mir die Erfahrung des authentischen „español de las videoconferencias“. Geholfen hat schon einmal die Entdeckung, dass ich die Spracheinstellungen für die Konferenz verändern kann, wenn auch immer ein deutschsprachiger Rest bleibt. Außerdem habe ich mir ein paar spanischsprachige Erklärvideos angesehen und daraus die folgende Übersicht zusammengestellt, die auch die Schüler*innen nutzen:

Inzwischen fühlen wir uns nun auch hier zu Hause. Drei Reiseführer ins Land der Videokonferenzen möchte ich noch empfehlen: Hauke Pöhlert und Bob Blume stellen in ihren Beiträgen Chancen und Anwendungsmöglichkeiten von Videokonferenzen vor. Nina Toller zeigt in gleich zwei Beiträgen konkrete Umsetzungsmöglichkeiten auf.

Bueno, es hora de finalizar esta sesión. Ein paar Ideen für schüleraktivierende Aktivitäten und encarrilamientos stelle ich in meinem nächsten Beitrag vor.

Literatur:

Pölert, Hauke: Videokonferenzen im (Online-) Unterricht nutzen – Modell und Phasen für strukturierte Planung. https://unterrichten.digital/2020/04/15/videokonferenzen-unterricht-modell/

Blume, Bob: DIGITAL: Sinnvolle Videokonferenzen mit Schulklassen. https://bobblume.de/2020/04/15/digital-sinnvolle-videokonferenzen-mit-schulklassen/

Toller, Nina: Praktischer Distanzunterricht. https://tollerunterricht.com/

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Spanisch im Fernunterricht: Vom „Pingpong des Grauens“ und wie man es besser machen kann.

Die dritte Märzwoche 2020, die erste Woche im Fernunterricht, war wohl meine frustrierendste Unterrichtserfahrung überhaupt. Ich habe sie als das „Pingpong des Grauens“ in Erinnerung. Auf meinen Aufschlag – noch optimistisch zusammengestellte, gescannte und hochgeladene Lernpakete mit Videos und Aufgaben – folgte ein Wirbelsturm an zurückgespielten Bällen aus unterschiedlichen Richtungen (sprich Kanälen), von allen Schüler*innen durcheinander: Zu jeder Tageszeit traf ein bunter Strauß an Formaten und Dateien mit so selbsterklärenden Titeln wie „Spanisch“, „Hausaufgaben“ oder „img.200319“ ein. Die wurden von mir immer hektischer pariert, d.h. heruntergeladen, umgewandelt, ausgedruckt und mit hastig hingekrizelten Korrekturen und Hinweisen eingescannt und zurückgeschickt, in dem wachsenden Gefühl der Unzulänglichkeit: Wieviel Zeit und Arbeit ich auch aufwandte, und obwohl die Schüler*innen alle mitzogen, fand überhaupt kein Unterricht statt: Nichts wurde besprochen oder entwickelt, was ich da zurückschickte war alles andere als echtes Feedback, es gab kaum sinnvolle Kommunikation – und es machte auch überhaupt keinen Spaß.

Die Erlösung kam zum Glück schnell in Form von kleinen und größeren Rettungsringen und schließlich dem Entschluss einen Schritt zurückzutreten und das Ganze neu zu denken. Die Rettungsringe bestanden in gelegentlich aufblitzenden Mini-Erleuchtungen (ganz banal: Ab jetzt benennen alle Ihre Dokumente nach einem einheitlichen und aussagekräftigen System.) und vielen Tipps von Kolleg*innen in derselben Situation wie ich: Der in der letzten Konferenz vor dem Lockdown zugeschobene Link zu einer Anleitung für Videokonferenzen mit jitsi, das Telefonat mit einer Mathematik-Kollegin, die mir in drei Minuten erklärte, wie sie die Erklärvideos mit ihrem Tablet erstellt, eine spontante Privat-Fortbildung, angeboten von einer Kollegin der Facebook-Gruppe „Digitales Unterrichten in der Schule“, um nur drei Beispiele zu nennen. Inzwischen gibt es viele sehr gute Anleitungen und Reflexionen zur Nutzung von Tools und zum Fernlernen insgesamt, aber die ersten Retter in der Not waren die Kolleg*innen.

Was das Umdenken angeht: Fernunterricht bietet eigentlich fantastische Rahmenbedingungen für ein fokussiertes Arbeiten im eigenen Rhythmus: Schüler*innen können einen Hörtext ein- oder dreimal anhören, ohne dass jemand warten muss. Sie können einen Text in Ruhe zuende lesen oder schreiben, weil ja nicht noch schnell eine Ergebnissicherung stattfinden muss, ehe die 45 Minuten Unterrichtszeit vorbei sind. Sie können auch selbständig arbeiten und dabei unterschiedlich vorgehen, ohne dass dies durch den äußeren Rahmen eingeschränkt wird. Darüber hinaus gibt es viele Möglichkeiten mit anderen zusammenzuarbeiten: Texte schreiben auf ZumPad, Chats und Videoanrufe zum Austausch, und auch dies muss nicht gleichzeitig mit der ganzen Lerngruppe geschehen. Was auf jeden Fall noch dazu muss, damit dieses Potenzial zu wirklichem Lernen wird, sind Zieltransparenz (Was machen wir hier eigentlich und wozu?), Klarheit und Hilfestellungen und natürlich Motivation. Und schließlich eine Würdigung der Arbeit und wirksames Feedback.

Aus diesen Überlegungen habe ich meine Unterrichtsstruktur für jede Woche Spanisch im Fernunterricht entwickelt – natürlich gibt es auch viele andere Varianten. Grundlage ist eine Kombination aus Flipped Classroom und Lernaufgabe. Von meinen 4, bzw. 5 Unterrichtsstunden pro Woche, die ich ja auch dem Fernunterricht zugrunde lege, dient die jeweils letzte einer kommunikativen Umsetzung oder Besprechung einer Lernaufgabe, die in den anderen Stunden zu Hause vorbereitet wird. Meist findet die Umsetzung in Form einer Videokonferenz statt, bzw. im Wechselmodell in der nächsten gemeinsamen Unterrichtsstunde. Wenn die Lernaufgabe eine schriftliche Aufgabe ist, nutze ich die Videokonferenz / Stunde zur gemeinsamen Überarbeitung und Besprechung oder zur Vertiefung eines bestimmten Aspekts der Aufgabe.

Die Schüler*innen bekommen von mir zu Beginn der Woche ein Arbeitsblatt mit der Lernaufgabe und Kriterien (Zieltransparenz: tarea final) und Einzelaufgaben zur Vorbereitung (camino a la tarea) sowie Links zu Übungen und Hilfsangeboten. Sie erhalten Hilfestellung zur Erarbeitung sprachlicher Mittel (hier nutze ich oft Quizlet und Grammatik-Erklärvideos) in Verbindung mit Übungen. Nach Möglichkeit arbeite ich mit den Materialien, die die Schüler*innen zu Hause haben (Buch, Cuaderno) und nutze darüber hinaus interaktive Übungen, die nicht ausgedruckt werden müssen (z.B. Lerningapps). Je nach Klasse kann der Arbeitsplan kleinschrittiger sein und mehr Vorgaben machen, oder offener bleiben. Ich lasse mir nicht mehr alle Lösungen zuschicken, sondern lediglich ein „relevantes Zwischenergebnis“, das mir zeigt, ob die Schüler*innen das Nötige verstanden haben um die Aufgabe zu bewältigen, also z.B. eine Fotgrafie der Übung aus dem Cuaderno in der die neuen Verbformen eingesetzt werden müssen. Aufgaben werden oft mündlich umgesetzt; bei schriftlichen Produkten nutze ich die Videokonferenz für eine gemeinsame Überarbeitung.

Ein paar Beispiele aus dem Spanischunterricht:

Was haben meine Schüler*innen und ich von dieser Struktur:

  • Orientierung: Die Arbeit zu Hause ist durch die Lernaufgabe und den Plan strukturiert. Sie hat ein klares Ziel.
  • Die Schüler*innen können sich ihre Zeit immer noch frei einteilen und im eigenen Tempo arbeiten.
  • Videokonferenzen / Präsenzphasen werden besser genutzt, weil sie von den Schüler*innen vorbereitet werden.
  • Durch das Zwischenergebnis findet eine Lernerfolgskontrolle statt. Weil sie gezielt ist, habe ich die Zeit für eine ausführliche Rückmeldung.
  • Ich kann darüber hinaus gezielt einzelne Aufgaben von Schüler*innen einholen, weil sie Schwierigkeiten haben, bzw. ich mehr Kontrolle für nötig halte. Im letzten Fall gibt es aber nur eine summarische Rückmeldung. (Haken, Smiley …)

Könnte ich die Freiräume des Lernens nicht auch für größere Projekte nutzen, also z.B. Lektüreprojekte mit Lesetagebuch oder gemeinsam erstellte Podcasts oder Filme? Ja klar und das lohnt sich unbedingt. Ein solches Projekt stelle ich in Hispanorama 171 (Februar 2021) vor. Aber erstens findet auch zwischen den Projekten viel Unterricht statt und nicht alle Inhalte lassen sich elegant in Projekten unterbringen, und zweitens gehört auch zu größeren Projekten eine gewisse Struktur: Zwischenergebnisse können ja ebenfalls als Lernaufgabe – auch inviduelle – definiert werden.

¡No hay mal que por bien no venga! In der ersten Woche Fernunterricht musste ich schnell Unterricht in einem für mich völlig neuen Setting organisieren, und habe mich dabei unbewusst erst einmal an Bekanntem orientiert: Ich habe versucht aus Hausaufgaben (Die Schüler*innen waren ja zu Hause.) Unterricht zu basteln, anstatt didaktisch zu denken und vom Lernen auszugehen. Das lief nicht so gut. Ich glaube, so geht es auch vielen Referendar*innen zu Beginn ihrer Ausbildung: Der Anspruch, guten Unterricht zu gestalten, kann überwältigend sein und die eigenen Vorstellungen und Erlebnisse scheinen eine Orientierung zu geben; es ist nicht leicht zu erkennen, wann man sich von ihnen lösen muss. Ganz gut, das mal wieder erlebt zu haben.

Literatur:

Die Voraussetzungen für gelingenden Distanzunterricht werden u.a. von Thamar Voss und Jörg Wittwer untersucht: „Unterricht in Zeiten von Corona: Ein Blick auf die Herausforderungen aus der Sicht von Unterrichts- und Instruktionsforschung“: https://link.springer.com/article/10.1007/s42010-020-00088-2

In seinem Language Learning Log stellt Wolfgang Hallet vor, wie Lernaufgaben den Fernunterricht strukturieren können: https://languagelearninglog.de/2020/04/15/digitales-distanzlernen-mit-komplexen-aufgaben/

Die Einführung in jitsi stammt von Tim Kantereit: https://www.youtube.com/watch?v=5zjC53emjlU.